Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
Dann blieben nur die Originale, und um die konnte er sich später kümmern.
Das Knarren hölzerner Räder kam über die Straße.
Es war leicht gewesen, Domin Hochturm von seinem Plan zu überzeugen. Der Vorwand bestand darin, dass die Kuriere in Gefahr waren und beschützt werden mussten. Der alte Zwerg und Premin Skyion würden nicht riskieren, Außenstehende in diese Sache zu verwickeln, wie zum Beispiel den neugierigen Hauptmann der Stadtwache. Und sie würden auch keine Domins oder Meister schicken, um die Folianten abzuholen. So hochrangige Kuriere hätten Aufmerksamkeit erregt, und das musste vermieden werden. Der Inhalt der Folianten war so wichtig – und gefährlich – , dass niemand davon erfahren durfte.
Sie enthielten mehr Informationen, als die numanischen Mitglieder der Gilde erhalten durften, soweit es Ghassan betraf.
Ein klappriger Wagen kam um die Ecke, gezogen von zwei Maultieren. Auf dem Kutschbock saß ein junger Bursche und hielt die Zügel. Ein Rad geriet in die tiefe Spalte zwischen zwei Pflastersteinen, und der ganze Wagen wackelte. Auf der Ladefläche klapperten eine Schaufel und eine Harke.
Ghassan achtete nicht auf den Müllkarren. Hier gab es keinen Unrat. Er behielt den Eingang des Skriptoriums im Auge, das schwache gelbe Licht hinter den Fenstern und die Silhouetten der Gestalten, die sich dort bewegten.
Hochturm war in Hinsicht auf den Plan zunächst skeptisch gewesen, aber Ghassan hatte ihm versichert, dass er für den Schutz der Kuriere sorgen konnte. Nur wenige kannten das wahre Ausmaß seiner Fähigkeiten, aber sein Ruf als Magier der Thaumaturgie hatte Gewicht.
Jemand anders in der Stadt hatte es auf die Folianten abgesehen.
Wenn dieser Jemand an diesem Abend erschien, würde Ghassan den Inhalt des Folianten als Erster sehen, so oder so. Anschließend würde er sicherstellen, dass sein Rivale nie wieder Weise umbringen konnte.
Der Unratkarren wurde langsamer.
Ghassans Blick huschte vom Eingang des Skriptoriums zum jungen Mann auf dem Kutschbock. Er schnaufte verärgert, als er merkte, dass der Bursche in seine Richtung sah.
Er hatte in seiner Konzentration nachgelassen. Die Beschwörung, die seine Präsenz vor den drei Weisen verborgen hatte, war nicht mehr bereit dafür, auf andere Personen erweitert zu werden.
Ghassan schloss kurz die Augen, und in der Dunkelheit hinter seinen Lidern bildeten sich helle Linien.
Alte Zeichen und Symbole glühten im Innern eines doppelten Quadrats. Ein Dreieck erschien, und darin ein weiteres, allerdings umgedreht. Kein Ton kam über Ghassans Lippen. In seinen Gedanken erklangen die Worte laut und schnell, als …
Er hob die Lider wieder. Das Muster aus Linien und Symbolen blieb vor seinen Augen, als er zum jungen Burschen auf dem Kutschbock sah und das Muster auf sein Gesicht legte.
Der junge Mann blinzelte.
Er erweckte den Eindruck, etwas gesehen zu haben, das plötzlich nicht mehr da war. Mit einem Schulterzucken bewegte er die Zügel, und die beiden kräftigen Maultiere zogen den Karren weiter.
Ghassan hatte nicht damit gerechnet, dass irgendwelche Passanten ihn stören könnten. Diesmal bewahrte er die Beschwörung in seinem Geist und hielt sie für weitere Einsätze bereit. Wenn der Zauber ein Bewusstsein erreicht hatte, hielt seine Wirkung dort eine Zeit lang an. Es kam darauf an, wie viel geistige Kraft dahintersteckte. Der junge Mann auf dem Kutschbock des Müllwagens würde sich nicht an ihn erinnern.
Schließlich kamen die drei Weisen aus dem Skriptorium, Dâgmund als Erster.
Miriam trat in die Nacht, den Folianten an sich gedrückt. Nikolas bildete den Abschluss und zögerte in der Tür, bis Dâgmund die Hand ausstreckte und ihn mit sich zog. Alle drei kehrten auf dem Weg zurück, den sie gekommen waren.
Ghassan schlüpfte um die Ecke des Ladens. Rasch teilte er das geistige Symbolmuster und machte drei daraus.
Die mit Symbolen ausgestatteten doppelten Quadrate glitten durch sein Blickfeld, und jedes von ihnen legte sich auf einen der jungen Weisen. Drei Beschwörungen zogen durch seinen Geist, schnell wie ein Fingerschnippen.
Ghassan ging schneller, um die Distanz zu dem Trio zu verkürzen.
Nicht einmal das Geräusch seiner Schritte oder das Rascheln seines Mantels würde ihre Aufmerksamkeit erreichen.
Rodian hielt Schneevogels Zügel locker und ließ die Stute durch die Straßen am Rand des Kaufmannsviertels laufen. Sie kam nicht so schnell voran, wie er es sich wünschte, denn immer wieder musste sie Karren
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