Dhampir
Erinnerung von Nein’a auf der Lichtung.
Seerose blieb bei ihm und empfing das Bild, stob dann davon.
Sie berührte den Kopf des schwarzen Anführers. Nur ein Moment verstrich, dann drehte er sich um und drückte den Kopf kurz an einen der beiden Stahlgrauen. In schneller Folge kam es zu weiteren Kontakten, und Chap beobachtete den Erinnerungstanz des Rudels.
Dann richtete der Anführer den Blick seiner blauen Augen auf Chap.
Der alte Majay-hì drehte den Kopf mit der ergrauten Schnauze, sprang über den Bach und kletterte auf der anderen Seite erstaunlich flink die Böschung hoch.
Seerose kehrte zu Chap zurück und hielt den Kopf an seinen. Er sah ein Bild, das ihm zeigte, wie sie beide nach einem langen Lauf unter einer Zeder ruhten. Offenbar sollte er warte n – aber worauf?
Chaps Unruhe nahm zu. Hatte das Rudel wirklich verstanden, worum es ihm ging?
Ein rollendes, klagendes Heulen klang durch den Wald. Es kam aus der Richtung, in die der Anführer verschwunden war.
Seerose schickte Chap ein Bild des Laufens, als sich der Rest des Rudels in Bewegung setzte. Er folgte ihr über den Fluss, die Böschung hinauf und in den Wald. Kurz darauf sah er den Anführer.
Der schwarzgraue Majay-hì stand auf einem großen, halb geborstenen Felsen, der aus dem Hang eines von Ulmen bewachsenen Hügels ragte. Das Rudel blieb unten stehen und schien auf etwas zu warten. Über die Schulter hinweg warf der Anführer einen Blick den Hang hinauf, und Chap tat es ihm gleich.
Die Zweige einer Ulme gerieten in Bewegung. Zwei Augen erschienen ein ganzes Stück über dem Boden, funkelten im Licht des Halbmonds und näherten sich.
Mit hoch erhobenem Kopf kam ein silbergraues Hirschwesen über den Hang und näherte sich. Das Geweih ragte weit in die Höhe, und an Hals und Bauch schimmerte das langhaarige Fell in reinem Weiß. Die Augen ähnelten denen der Majay-hì und zeigten ein helles Blau.
Langsam senkte der Hirsch den Kopf.
Seerose gab Chap einen Stoß.
Chap verstand nicht. Sollte er zu jenem Wesen gehen?
Die Weiße gab ihm einen zweiten sanften Stoß, sprang dann am Felsen vorbei und wartete auf der anderen Seite. Chap folgte ihr, und bevor er sie erreichte, lief Seerose den Hang hinauf. Am Fuß des großen Felsblocks wich sie beiseite und hob die Schnauze, dem Hirsch entgegen.
Chap zögerte. Was hatte dies mit der Suche nach Nein’a zu tun?
Seerose drückte sich gegen ihn, und Chap empfing ein Bild, in dem nicht nur die hochgewachsene Elfenfrau erschien, die er ihr gezeigt hatte, sondern auch noch etwas anderes: Der Anführer des Rudels hielt seinen Kopf an den des Hirschwesens.
Chap erstarrte, als der Hirsch den Kopf drehte und ihn ansah.
Er hätte nicht gedacht, dass dieses Geschöpf auf die gleiche Weise kommunizierte wie die Majay-hì. Ein leichtes Prickeln erfasste ihn, als er in die blauen Augen sah.
Es fühlte sich ganz vage a n … wie ein Angehöriger seines Volkes in weiter Ferne. Und doch anders.
Die Majay-hì stammten von den ersten Feen ab, die sich in den Körpern von Wölfen niedergelassen hatten. Über Generationen hinweg wurden die Majay-hì zu »berührten« Hütern des Waldes.
Aber offenbar es gab noch andere, ebenfalls berührte Wesen.
In diesem Hirsch waren die Spuren seiner Vorfahren, die damals in Gestalt von Rotwild und Elchen Fleisch geworden waren, stärker als in den Majay-hì.
Chap trat näher und blieb vor dem großen Geschöpf stehen, einem berührten Kind seines Volkes. Der Hirsch streckte ein Bein, krümmte das andere und bückte sich, bis sein Kopf den von Chap berühren konnte. Der drückte seine Stirn an die des Hirschs, nahm dabei den Atem des Tieres wahr, der nach wild wachsendem Gras und Sonnenblumen roch. Er konzentrierte sich auf das Erinnerungsbild von Nein’a, das er zuvor Seerose gezeigt hatte.
Das Hirschwesen schob Chap zurück und stieß ihn fast von den Beinen. Still stand es da und wartete.
Was hatte er falsch gemacht?
Seerose kam näher und hielt ihre Schnauze an seine. Diesmal empfing Chap nicht nur Bilder, sondern auch Geräusche.
Ein Majay-hì heulte in der Dunkelheit. Ein Elfenjunge rief einen anderen. Vögel zwitscherten, Fra’cise schnatterten, und ein Tâshgâlh wie der, der ihnen durch die Bergtunnel gefolgt war, kreischte empört.
Chap erkannte das gemeinsame Element. Der Hirsch wollte ein Geräusch. Er näherte sich ihm erneut, als das große Tier einmal mehr den Kopf senkte.
Chap übermittelte das Bild von Nein’a auf der Lichtung und fügte
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