Diabolus
verpasst.« Sie nickte.
»Ich hab mein Ticket verloren, und da wollten mich die Arschlöcher nicht an Bord lassen. Und jetzt habe ich kein Geld mehr, um mir ein neues Ticket zu kaufen.«
»Wo sind Sie denn zu Hause?«
»In den Staaten.«
»Können Sie nicht Ihre Eltern anrufen?«
»Nein, schon probiert. Vermutlich sind sie zum Wochenende mit irgendjemand segeln gegangen.«
»Haben Sie denn keine Kreditkarte?«, sagte Becker mit einem Blick auf die teure Kleidung des Mädchens.
»Ja, hatte ich, aber mein Dad hat sie sperren lassen. Er glaubt, ich würde Drogen nehmen.«
»Nehmen Sie denn Drogen?«, sagte Becker mit ausdruckslosem Gesicht. Er beäugte den geschwollenen Unterarm des Mädchens. Das Mädchen starrte ihn empört an.
»Natürlich nicht!«, sagte es und tat beleidigt. Becker bekam das Gefühl, dass er über den Tisch gezogen werden sollte.
»Nun machen Sie keinen Aufstand«, sagte es.
»Sie sehen aus wie jemand, der Kohle hat. Könnten Sie nicht ein bisschen davon abdrücken, damit ich nach Hause fliegen kann? Ich schicke Ihnen die Knete auch wieder zurück.« Für Becker war klar, dass jeder Peso, den er dem Mädchen gab, im Nu in den Klauen eines Drogenhändlers von Triana landen würde.
»Ich gehöre nicht zu den Leuten, die Kohle haben«, entgegnete Becker.
»Aber ich sage Ihnen, was wir machen können. . .« Ich werde dich beim Wort nehmen, mein Kind.
»Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen das Ticket kaufe?« Das Mädchen schaute ihn verdattert an.
»Das würden Sie tun?«, stammelte es, die Augen hoffnungsvoll aufgerissen.
»Sie würden mir ein Ticket kaufen, damit ich nach Hause fliegen kann? Oh Gott, wie soll ich Ihnen dafür danken?« Becker war sprachlos. Offenbar hatte er das Mädchen falsch eingeschätzt. Das Mädchen schlang ihm die Arme um den Hals.
»Das war ein ganz beschissener Sommer«, schluchzte es.
»Oh danke, vielen Dank. Ich muss unbedingt weg von hier.« Becker drückte es halbherzig. Das Mädchen ließ ihn los. Er betrachtete wieder die bläulichen Male an ihrem Unterarm. Es folgte seinem Blick.
»Sieht schaurig aus, nicht?« Becker nickte.
»Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass Sie keine Drogen nehmen.« Das Mädchen lachte.
»Das ist blauer Marker! Er ist total verschmiert. Ich habe mir fast die Haut abgerubbelt, bis ich ihn wieder runter hatte.« Becker sah genauer hin. Im Licht der Leuchtstoffröhren konnte er auf dem rötlich geschwollenen Arm undeutlich eine Schrift erkennen.
»Aber . . . Ihre Augen!«, sagte Becker einigermaßen ratlos.
»Die sind doch ganz rot!« Sie lachte auf.
»Ich habe geheult, wissen Sie, weil ich meinen Flug verpasst habe. Habe ich Ihnen doch gesagt!« Becker betrachtete wieder die Schrift auf dem Arm. Das Mädchen zog peinlich berührt die Stirn kraus.
»Man kann es immer noch lesen, nicht wahr?« Becker kam etwas näher. Die vier Wörter waren noch gut zu erkennen, die Botschaft hätte klarer nicht sein können. Vor seinem inneren Auge rasten die letzten zwölf Stunden im Schnelllauf vorbei. Er war wieder im Hotel Alfonso XIII in Suite 301. Der Deutsche patschte auf seinen Unterarm und sagte in miserablem Englisch fock off and die.
»Sie sehen auf einmal so komisch aus!«, sagte das Mädchen und schaute Becker unsicher an, der wie weggetreten wirkte. Becker hob den Blick nicht von ihrem Arm. Er war wie vom Donner gerührt. Auf dem Arm des Mädchens standen vier Wörter, FUCK OFF AN DIE:
»Das hat ein Freund von mir draufgeschrieben«, sagte das Mädchen. Es war ihm sichtlich unangenehm.
»Ziemlich blöd, was?« Becker fand keine Worte. Fuck off and die. Er konnte es nicht fassen. Der Deutsche hatte ihn nicht beleidigen wollen - er wollte ihm helfen! Becker hob den Blick und betrachtete das Gesicht des Mädchens. Blau-weiß-rote Farbspuren schimmerten im Licht der Leuchtstoffröhren in seinem blonden Haar.
»Sie . . . Sie tragen nicht zufällig Ohrringe?«, stotterte Becker und spähte nach einem Loch in ihrem Ohrläppchen. Das Mädchen sah ihn merkwürdig berührt an. Es zog einen kleinen Gegenstand aus der Tasche und hielt ihn Becker hin.
»Ein Ohrclip?«, sagte Becker fassungslos und starrte den Totenkopf an, der an einem Kettchen baumelte.
»Na klar! Ich habe keinen Bock, mir Löcher in die Ohren stechen zu lassen. Wenn ich Nadeln sehe, mache ich mir vor lauter Angst immer in die Hosen!«, sagte das Mädchen.
KAPITEL 70
David
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