Diadem von den Sternen
schaute über seine Schulter zurück, dann ging er ein paar Schritte. Aleytys machte versuchsweise einen Schritt, und sein Schnurren vertiefte sich zustimmend. Aleytys folgte ihm durch das Farnkraut zu einer Felsspalte.
Da die Decke kaum höher war als der Kopf des Tars, ging sie unbequem vorgebeugt weiter, bis sich der Spalt zu einer blasenför-migen Höhle erweiterte. Durch einige kleinere Risse in der Höhlendecke sikkerte Licht herein, und in dem schwachen Dämmerlicht konnte Aleytys einen weiblichen Tars auf der Seite liegen sehen; drei winzige Pelzknäuel saugten an den Brustwarzen. Das Weibchen knurrte, und Daimon ging zu ihr hinüber. Leicht knuffte er sie an.
Aleytys gluckste. „Es sind sehr süße Babys, Daimon. Ich kann verstehen, daß du stolz auf sie bist.” Sie legte warme Zustimmung in ihre Stimme. „Ich freue mich, daß du mich mitgenommen hast, um mich deiner Familie vorzustellen, Abruya ‘Haivna.” Und sie redete weiter drauflos, legte Zustimmung und Anerkennung in ihre Worte und verstärkte sie noch durch die Geistberührung. Etwa eine halbe Stunde lang kniete sie auf dem Höhlenboden, erzählte den Tars von sich, redete nur, um zu reden. Irgendwie half es, diese Dinge zu sagen, obwohl die Zuhörer sie nicht verstehen würden -nicht verstehen konnten. Der große Daimon lag bei seinem Weibchen, leckte ihr Gesicht und knabberte liebevoll an ihrem Hals.
Schließlich erschöpfte sich seine Artigkeit, da Aleytys taktvolle Distanz zwischen sich und den Kleinen hielt. Er hob eines am Genick hoch und legte es auf ihren Schoß. Das Knäuel fing an zu jaulen, und das Weibchen versuchte verzweifelt hochzukommen. Jetzt erst merkte Aleytys, daß mit ihrem Hinterteil irgend etwas passiert war. Sie zog die Hinterläufe nach, und ihr warnendes Knurren war schmerzverzerrt. Eilends berührte Aleytys ihren rasenden Geist und besänftigte sie, dann beruhigte sie das Junge, damit sein Wimmern das verletzte Weibchen nicht beunruhigte. Sie streichelte es, rieb es hinter den Lauschern und unter dem winzigen Kinn, dann ließ sie ihre Hände über die empfindsamen Rippen streicheln. In einer winzigen Falsett-Wiedergabe von Daimons erwachsenem Knurren begann es zu schnurren.
„Mhhmm … ein gutes Gefühl, nicht war, kleiner Mi-Muklis, Azizmi. Würde dich gerne mit nach Hause nehmen und behalten.” Sie lachte laut. „Aber du würdest jeden, der dich sieht, zu Tode erschrekken, das steht fest.” Sie wurde ernst und blickte wieder zu dem Weibchen hinüber. Die Tars war sehr dünn, fast mager… kaum mehr als verfilztes Fell über den wuchtigen Knochen. Das Junge fühlte sich genauso an. „So dünn, armes Baby.”
Ihre neuen Sinne tasteten hinaus… Hunger schwelte in dem Weibchen, mächtiger, nagender Hunger. Und die Kleinen waren unterernährt. Sie kuschelte das Fellbündel in ihre Arme und rutschte auf ihren Knien zu dem Muttertier hinüber; sie bewegte sich langsam, sehr vorsichtig. Dann setzte sie das Junge ab, streckte eine Hand aus und ließ sie ganz leicht auf den sich hebenden und senkenden Rippen des Weibchens ruhen. „Was ist los mit dir, Abruya ‘Haivna? Laß mich mal sehen.”
Sie legte ihre Hand auf die Vorderschulter der verletzten Tars. Die Knochen fühlten sich furchtbar scharf an. „Er bringt dir Futter, da bin ich sicher. Vielleicht nicht genug? Oder stimmt irgend etwas mit deinem Magen nicht? Ruhig… Ruhig, Mi-Muklis, Aziz-mi… Ich will dir doch helfen … Ich will dir nicht weh tun.”
Das Tars-Weibchen bewegte sich unbehaglich unter ihrer Hand und winselte vor Furcht. Daimon leckte über ihr Gesicht, dann wandte er seinen massigen Schädel hilflos Aleytys zu. Sie konnte die überwältigende Not aus ihm herausströmen fühlen. Er winselte kurz, bettelte sie an, etwas zu tun, irgend etwas, so daß sich seine Not um sie herum wie schwarzer Nebel niedersenkte. Sie antwortete ihm mit der Geistberührung, vermittelte ihm ein Gefühl des Friedens, ein Gefühl des Ja, ich weiß, ein Gefühl des Vertrauens und der Freundschaft. Er beruhigte sich. Auch das Tars-Weibchen schien ruhiger zu werden.
Langsam tastete Aleytys über ihr Rückgrat. In der Nähe der Lenden spürte sie eine Beule, und das Weibchen stieß ein scharfes, kleines Stöhnen aus. Daimon riß sich hoch, knurrte. Hastig besänftigte ihn Aleytys, zerfaserte seinen Zorn. Er ließ sich wieder nieder, seine Lauscher zuckten unablässig.
„Hai, Daimon, jetzt wissen wir immerhin, wo es weh tut.” Sehr sanft befühlte sie den Klumpen.
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