Diagnose negativ
Erwärmung der eigentlichen Schiffszelle war nichts zu spüren. Die Gasmoleküle wurden vom Prallschirm ionisiert und dann – elektrisch leitfähig geworden – mit unvorstellbarer Wucht aus dem Weg gestoßen.
Das Heulen der atmosphärischen Gase dauerte etwa zwei Sekunden. In diesem Zeitraum hatten wir die Lufthülle der Erde durchstoßen, was einer Anfangsbeschleunigung von hundert Kilometer pro Sekunde gleichkam. Jeder andere Körper wäre im entstehenden Luftreibungswiderstand verbrannt. Wir hatten nicht einmal Schweißtropfen auf der Stirn.
Ehe ich recht zur Besinnung kam, war die Erde in voller Kugelgestalt erkennbar. Das Dröhnen hielt an, aber die glühenden Gase waren längst verschwunden.
Je mehr unsere Heimatwelt zurückfiel, um so größer wurde der Mond. Hier waren keine komplizierten Berechnungen erforderlich gewesen, kein »Vorhaltewinkel«, mit dem man die Eigengeschwindigkeit des Trabanten berücksichtigen mußte, damit er zur Zeit der Ankunft auch an dem Ort stand, den man vor dem Start anvisiert hatte.
Wir waren einfach losgeflogen! Der Mond dachte auch nicht daran, uns irgendwelche Streiche zu spielen. So schnell, wie wir heranrasten, konnte sich der Himmelskörper überhaupt nicht auf seiner Umlaufbahn bewegen.
Ich hörte mich brüllen, als man die Krater der Vorderseite schon mit bloßem Auge einwandfrei erkennen konnte. Unser »Bremsmanöver« war eine Vergewaltigung des Geistes und aller nur denkbaren Empfindungen. Coatla hatte es zu gut gemeint. Wahrscheinlich aber hatte er uns wieder eine Lektion erteilen wollen.
Er dachte auch nicht daran, die Fallgeschwindigkeit durch Bahnellipsen abzudrosseln, um dann zur Landung anzusetzen. Stur raste er in die Gravisphäre des Mondes hinein, bremste mit Werten von fast 500 km/sec bei vollster, gegengerichteter Schubwirkung, um anschließend den Kreuzer zum absoluten Stillstand zu bringen.
»Sie müssen wahnsinnig geworden sein«, sagte ich rauh.
»Wieso? Ging es Ihnen nicht schnell genug? Ich hätte noch höher beschleunigen können. Wir haben etwa fünfzehn Minuten benötigt. Ihr vorläufiges Ziel liegt unter Ihnen.«
Ich drehte mich um. Meine Beine zitterten. Aus der Bordsprechanlage tönten die Verwünschungen unserer Techniker. Sie waren nicht dazu gekommen, ihre mühevoll installierten und einigermaßen gleichgeschalteten Meßinstrumente abzulesen. Es war alles zu schnell gegangen.
Ich konzentrierte mich auf die Fernbilder der Tasteranlage. Über der vorderen Halbkugel war der Tag angebrochen. Die Sonne stand dicht über dem Horizont. Von der Erde war im Augenblick kaum etwas zu sehen. Ihre blasse Sichel wurde vom grellen Sonnenlicht aufgezehrt.
Die Stationsgebäude von Luna-Port waren klar zu erkennen. Ich erblickte die transparenten Druckkuppeln, unter denen wir die Oberflächenanlagen erbaut hatten. Hier war das Zentrum der Verwaltung gewesen, bis wir vor etwa zwei Jahren auf die Marsstadt Zonta stießen.
Zonta lag auf der Rückseite des Mondes, dicht am Fuße der Shonian-Berge. Damit war sie für uns unsichtbar, weit hinter der Rundung der Mondoberfläche verschwunden.
Unter uns herrschte das beginnende Chaos. Es war viel schlimmer, als man es nach den Berichten hätte vermuten können. Mit dem Fliegen, das auf dem luftleeren Himmelskörper schon immer problematisch gewesen war, schien es nicht mehr recht zu klappen.
Ich bemerkte über zwanzig Transportraketen, die mit harten Bruchlandungen auf den Boden gekommen waren. Unter den Druckkuppeln wimmelte es von Truppeneinheiten der Internationalen Mondarmee. Überall waren
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