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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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gestohlen.
    Großmutter wankte wie eine hypnotisierte Schlange in den Raum und wiegte sich immer wieder vor und zurück – fast als reagierte sie auf Montalvos Gesten. Er lockte sie, ermutigte sie, bettelte und flehte, sagte ihr, wohin sie gehen sollte. Und sie gehorchte. Immer näher kam sie, allerdings nicht zu ihm, sondern zu dem Käfig.
    Adriana hatte sich aufgerichtet. Sie war unfassbar dünn, vollkommen ausgezehrt, und das ärmellose weiße Kleid, das sie trug, hing schlaff an ihr herunter. Ihre Knochen traten deutlich unter der Haut hervor, parallel zu den passenden Tätowierungen. Ihr Gesicht schien nur noch aus dem grinsenden Schädel zu bestehen, der ihre Haut bedeckte.
    Wie ein Vogel im Käfig, der sein eigenes Spiegelbild nachahmt, bewegten sich Großmutter und Adriana vollkommen synchron. Die Alte schritt immer näher an den Käfig heran und Adriana hielt sich aufrecht, indem sie sich gegen das Gitter lehnte. Montalvos Stimme erhob sich zu einem beschwörenden Gebet, woraufhin Großmutter sich erst aufbäumte und dann nach vorne beugte. Adriana kam ihr entgegen, bis ihre Lippen sich berührten.
    Alt und gebrochen, jung und gebrochen, unterschiedlich und doch gleich, zwei Teile eines Ganzen. Das alles wurde mir bewusst, als die beiden plötzlich in ein seltsames, helles Licht getaucht wurden. Im richtigen Winkel betrachtet sah es fast so aus, als würden sie miteinander verschmelzen. Montalvos Magie erfasste Santa Muerte, die verlorene alte Frau, die Göttin, die von den Schatten so lange gefangen gehalten worden war, bis sie nur noch ein Schatten ihrer Selbst war, und transferierte sie in Adrianas ausgehungerten, wehrlosen Körper. Das Mädchen hob den Arm, Santa Muerte folgte der Bewegung, und sie drückten die Hände aneinander, bis die Magie den Rest erledigte und nur eine Hand übrig blieb.
    Während Montalvos Stimme wechselte zwischen einem eindringlichen Flüstern und einem lauten Brüllen, erwachte hinter seinem Rücken Luz. Die Nacht war endlich gekommen. Sie leckte sich die Lippen, schmeckte mein Blut und starrte mich finster an. Ich hatte sie an ihre Schöpferin verraten – aber Anna war die Einzige, die uns jetzt noch retten konnte. Dann entdeckte sie Adriana und Großmutter, beziehungsweise das seltsame Wesen, das aus ihnen entstand.
    »Nein!« Mit voller Kraft warf sie sich gegen die Ketten. Ich konnte hören, wie die Knochen, die ich zum Schutz unter ihre Fesseln geschoben hatte, zerbrachen.
    Wenn Luz gerade erwacht war, galt dasselbe für Anna. Würde sie rechtzeitig hier sein? Wo war sie wohl gerade? Befand sie sich überhaupt in der Stadt? Ich wusste es nicht. Verzweifelt versuchte ich, gegen die Magie anzukämpfen, die mich festhielt, doch sie rammte mich immer wieder gegen die Knochenwand, jedes Mal ein wenig härter.
    Plötzlich mischte sich eine zweite Stimme in Montalvos Singsang. Am Tunneleingang erschien ein Lichtstrahl, und Olympio kam herein.
    »Nein, lauf weg«, wollte ich schreien, aber meine Stimme versagte noch immer.
    Als er den Raum betrat, sah er aus wie bei unserer ersten Begegnung, voller Selbstbewusstsein stolzierte er heran und schleuderte Montalvos Gebeten in frechem Ton seine eigenen entgegen. Er hatte die Taschenlampe unter den Arm geklemmt, sodass sie Montalvo direkt ins Gesicht leuchtete, während er die Hände noch oben reckte und wieder und wieder dieselben Worte sprach.
    Ein kurzer Ruck ging durch Montalvo. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er Olympio körperlich angreifen würde, doch er verstärkte nur seine Bemühungen, um die beiden Frauen weiter unter seiner Kontrolle zu halten. Das Licht rund um Großmutter und Adriana verstärkte sich – was auch immer Olympio da versuchte, Montalvo war eindeutig zu stark für ihn. Der Junge realisierte das im selben Moment wie ich, während Luz zweisprachig Beschimpfungen ausstieß und wie ein tollwütiger Hund versuchte, ihre Ketten zu sprengen.
    Olympio holte die Taschenlampe unter seinem Arm hervor und schleuderte sie auf den Käfig. Taumelnd flog sie durch die Luft und streifte lediglich eine Ecke der Konstruktion. Doch dieser eine Knochen bekam ihre volle Wucht ab, sodass sich ein kleiner Splitter löste.
    Wie verrückt wedelte Montalvo mit den Händen, als wollte er sein unsichtbares Orchester in eine Schlacht schicken. Dann deutete er auf Olympio, die Magie erfasste den Jungen und presste ihn ebenfalls an die Wand.
    Grunzend landete er neben mir, und während ich hörte, wie ihm die Luft aus der Lunge

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