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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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ich an, um ihn wenigstens zu warnen, dann umschloss ich mit beiden Händen seine Rechte und drückte das Kreuz gegen seine warme, braune Haut.
    Er musterte unsere verschlungenen Finger und zog belustigt eine Augenbraue hoch. »Wollen Sie mich anmachen?«
    Aufmerksam beobachtete ich seine Reaktion, prüfte sie auf den leisesten Hinweis – und fand keinen. Seufzend ließ ich seine Hand los und das Silberkreuz landete auf dem Boden. Er ging in die Knie, hob es auf und warf stirnrunzelnd einen Blick darauf. »Aha. Jetzt verstehe ich.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich sofort.
    Er drehte das Kreuz zwischen Daumen und Zeigefinger, als hätte er gerade ein Gänseblümchen gepflückt. »Kreuze und Silber, das weiß doch jeder. Ich sehe auch hin und wieder fern.« Resigniert schüttelte er den Kopf und sah mich ernst an. »Dachten Sie wirklich, ich sei ein Vampir?«
    »Nein, immerhin stehen Sie hier im hellen Sonnenlicht vor mir. Aber ich dachte, Sie könnten für einen arbeiten.«
    Bei diesem Geständnis drehte sich Olympio endgültig zu uns um und riss die Augen auf. Gespannt verfolgte er unser Gespräch, sein Kopf wanderte hin und her wie bei einem Tennismatch.
    »Wegen irgendwelcher Blutproben?« Tovars Miene verfinsterte sich, und er hob die Stimme. »Da kommen Sie ohne Umschweife auf Vampirismus? Sie sind Krankenschwester, da sollten Sie wissenschaftlich denken, oder etwa nicht? Hätte ich jemanden gewollt, der an solchen Unsinn glaubt, hätte ich einfach Olympio eingestellt.«
    »Hey!«, protestierte der.
    »Sie können ja wohl nicht leugnen, dass das verdammt viele Zufälle sind«, wehrte ich mich und trat einen Schritt auf ihn zu. »Die Bisstattoos, die Kreuztattoos, das Blut …«
    Er fing die Hand ab, mit der ich vor seiner Nase herumfuchtelte, woraufhin ich verstummte. »Und Sie können nicht leugnen, dass Sie von diesem Thema besessen sind«, sagte er nur.
    »Vielleicht«, gab ich zu, riss mich aber nicht los. Er zog meine Hand ein Stück hoch und legte mit Nachdruck das Kreuz hinein.
    »Ich weiß ja nicht, was Sie so glauben, Edie, aber wir sind hier nicht bei Akte X .« Er sah mir kurz ins Gesicht, starrte dann aber wieder auf das Kreuz. Sein Blick wurde mitleidig. »Was auch immer Sie zu sehen glauben, welche Geister aus Ihrer Vergangenheit Sie verfolgen mögen, Sie müssen sie vergessen. Auch Ihr Leben geht weiter.«
    Wäre es doch nur so einfach. Wenn mein Leben weitergeht, ist das meiner Mom vorbei, hätte ich ihm am liebsten aus voller Brust entgegengeschleudert. Heraus kam aber nur ein trotziges: »Alles klar, gut.«
    Er ließ meine Hand los, wich einen Schritt zurück, behielt mich aber weiter im Auge. »Ich muss jetzt gehen, denn ich habe heute Abend noch etwas zu erledigen. Aber Olympio kann Sie bestimmt zur Haltestelle bringen und dafür sorgen, dass Sie sicher zur Bahn kommen.«
    Meine Finger schlossen sich so fest um das Kreuz, dass es sich in meine Handfläche bohrte. Dann stopfte ich es in meine Tasche und atmete tief durch, als würde ich gerade aus tiefem Wasser auftauchen. »Sicher, ich komme schon klar.« Ich brauche Sie nicht, und Ihr Mitleid schon gar nicht.
    »Also gut, dann …« Er nickte, als wären wir gemeinsam zu einem Entschluss gelangt, und wandte sich ab.
    Olympio wartete, bis Dr. Tovar ungefähr einen Block Vorsprung hatte, dann trabte er vor mir her, drehte sich aber immer wieder zu mir um. »Glaubst du wirklich an Vampire?«
    Ich seufzte nur und ging nicht darauf ein. War ja klar, dass es darauf hinauslaufen würde. Das Kreuz hatte ich in meine Tasche geschoben. Wenn ich doch auch so leicht irgendwo reinpassen und verschwinden könnte.
    »Ist die Eselsfrau auch echt?«, schob er hinterher.
    »Wer ist das denn?«
    »Eine Frau mit Eselskopf. Wenn du nachts unter die Brücke an der Hochbahnhaltestelle gehst, kommt sie raus und holt dich.«
    Es war leichter, mich auf das Gespräch mit ihm zu konzentrieren, als auf meine aktuellen Probleme. »Warum hat sie denn einen Eselskopf? Und wo findet sie genug Heu zum fressen?«
    »Sie frisst kein Heu, sondern Kinder, die an sie glauben. Weshalb ich das nicht tue. Ich meine, bis jetzt nicht, aber …« Auf seinem Gesicht breitete sich eine Erkenntnis aus wie Sonnenstrahlen auf ruhigen Meeresweiten. »Sollte ich denn? Gibt es sie wirklich? O je, wenn es sie gibt …«
    Ich hob abwehrend die Hand, und sofort verstummte Olympio. »Vampire gibt es tatsächlich«, erklärte ich, »aber die Eselsfrau wahrscheinlich nicht.«
    »Wow.«

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