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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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belästigt fühlen.
    Die Leute, die in den Ecken lauerten, waren da schon etwas anderes. Ich konnte ihre Blicke spüren. Doch ich hatte keine Ahnung, ob sie durch Jorgens Anwesenheit irgendwie abgeschreckt wurden, oder ob wir einfach unverschämt viel Glück hatten.
    Am Ende des Blocks bogen wir in eine Straße ab, an deren Ende ein helles Licht brannte. Unwillkürlich dachte ich an einen heranrasenden Zug und starrte irritiert nach vorne.
    »Hier?«, flüsterte Catrina angewidert. »Sie war die ganze Zeit hier?«
    Vor uns stand eine Statue von Santa Muerte in einer goldgesäumten roten Robe, die mit goldenen Sternen bestickt war. Die Straße davor war mit Blütenblättern und Blumen bedeckt. Bei diesem Anblick dämmerte mir so langsam, wo wir uns befanden.
    »Montalvos neue Kirche?«, riet ich. Catrina nickte. Das Licht, das den Altar anstrahlte, ließ ihr Gesicht zu einer wütenden Fratze erstarren. Wir näherten uns der Kirche – Jorgen unerschrocken vorneweg, wir langsamer dahinter.
    Plötzlich stürmte eine Gestalt auf die Straße und fing an, mit beiden Händen die verstreuten Blumen aufzusammeln. Dann erschien neben dem Altar ein Mann, den ich bisher gar nicht bemerkt hatte, da er im Schatten des Hauses verborgen gewesen war. »Hör auf damit!«, rief der, warf die Person zu Boden und hob den Fuß, als wolle er zutreten. Flehend reckte sich ihm ein knochiger Arm entgegen.
    »Hey!«, schrie ich, ohne weiter darüber nachzudenken. Catrina riss mich zurück. Der Mann erstarrte kurz, da ich ihn von seinem Tritt abgelenkt hatte, und das dadurch gerettete Opfer richtete sich auf. In der Altarbeleuchtung erkannte ich die fettigen Haare und sah, dass die Gestalt zwei Krankenhausnachthemden trug, eines vorne, das andere hinten, beide nur durch drei Druckknöpfe miteinander verbunden. »O Gott, nicht du schon wieder.« Es war die Frau, die ich gerettet und die mir diese Infektion angehängt hatte.
    »¿Quién eres tú?«, fragte der Mann und kam auf uns zu.
    »Sie wollen doch wohl keine alte Frau treten!«, erwiderte ich tollkühn, da ich ja Jorgen bei mir hatte.
    »Sie stiehlt die Blumen, um sie zu verkaufen. Das ist verboten. Diese Blumen gehören Santa Muerte.« Jetzt konnte ich die drei Kreuze sehen, die auf seinen Hals tätowiert waren.
    »Die Blumen liegen auf der Straße, also sind sie technisch gesehen Müll«, behauptete Catrina und trat einen Schritt vor, sodass sie im Licht stand.
    »Cállate, no sabes de lo que estás hablando«, erwiderte er abfällig und kam noch einen Schritt auf uns zu. Hoffentlich, hoffentlich kauerte Jorgen irgendwo hinter uns. »Warte mal, dich kenne ich doch …« Er musterte Catrina von oben bis unten, dann wanderte seine Hand Richtung Hüfte.
    Und in dem Moment riss Jorgen ihn von den Füßen. Grunzend landete der Gangster auf seinem Hintern, während der Spürhund das Maul so weit aufriss, dass es fast schon aussah wie in einem Comic. Wie eine Python hakte er seinen Unterkiefer aus, und der Kopf des Mannes steckte bereits zwischen seinen Zähnen, als dieser zu schreien begann. Es brauchte nur drei bizarre Schluckbewegungen, dann war der Mann verschwunden. Vor uns stand nur noch Jorgen.
    Wonach hatte dieser Mann gegriffen? Pistole? Messer? Handy? Jetzt war es zu spät, wir würden es nie mehr erfahren.
    »Wo ist er hin?«, flüsterte Catrina verstört.
    »Willst du das wirklich wissen?«, fragte ich mit schriller Stimme. Jorgens Bauch, an dem zuvor das Fell geschlackert hatte, war jetzt prall gespannt. Einen Moment lang glaubte ich, einen Fuß zu erkennen, der sich von innen gegen die Haut des Spürhunds presste, wie eine abartige Version eines tretenden Babys im Mutterleib.
    Die alte Frau schob sich brabbelnd zwischen uns und hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. Dankbar richtete ich meine gesamte Aufmerksamkeit auf sie.
    »Großmutter … abuela …«, versuchte ich sie zu beruhigen. Sie war offenbar tatsächlich im County gewesen, das erkannte ich an der Musterung ihrer Nachthemden. Als ich die Hand ausstreckte und ihre Stirn fühlte, blieb sie reglos stehen. Kein Fieber, das war ein gutes Zeichen; dann war sie hoffentlich auch nicht mehr ansteckend. »Was ist passiert?«
    Die Worte quollen in einem irren Tempo aus ihr hervor, aber auf Spanisch, sodass ich nichts verstand. Catrina übersetzte: »Hier gefällt es ihr nicht, alle sind gemein zu ihr, es gibt keinen Respekt mehr auf dieser Welt. Und sie fürchtet sich vor diesem Hund.«
    Tja, dazu hatte sie auch jeden

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