Diamanten und heiße Küsse
lückenhaft.“
„Aha.“ Sie lehnte sich zurück und fixierte ihn kühl.
„Dann erzählen Sie mir mal, was Sie über mich wissen.“
Ohne zu zögern, begann er seinen Bericht, wobei er ihrem Blick nicht auswich. „Sie sind am 13. April im Krankenhaus von Dubbo als Tochter von Martin und Maureen McLeod geboren. Ihr Zwillingsbruder Daniel ist zwei Tage nach der Geburt gestorben. Ihre Eltern besaßen ein Geschäft für landwirtschaftliches Zubehör. Als Sie siebzehn waren, hat MacFlight ihren Eltern das Geschäft abgekauft und ging dann pleite. Sie zogen in die Stadt und fingen bei Blackstone in der Personalabteilung an. Vor Kurzem haben Sie Ihren Master an der Universität gemacht. Das Studium hat Blackstone finanziert. Ihre offizielle Position ist Assistentin des Personalchefs. Momentan aber sind Sie gerade in der PR-Abteilung eingesetzt worden. Ihre Mutter bekommt eine Sozialrente und ihr Vater eine Invalidenpension.“
Donnerwetter! Holly starrte ihr Gegenüber mit großen Augen an, während sie langsam die Speisekarte zuklappte. Wie gradlinig sich ihr Werdegang in den letzten neun Jahren anhörte, wenn jemand wie Jake unsentimental die Fakten aufzählte. Dabei war es ein gefühlsmäßiges Auf und Ab gewesen. Wenn sie daran dachte, wie sie versuchte, ihre vor Angst hysterische Mutter im Krankenhaus zu beruhigen, als ihr Vater einen Schlaganfall hatte. Dann die Monate in der sehr teuren Reha-Klinik, deren Kosten nur zum geringen Teil von ihrer Krankenversicherung übernommen worden waren. Hinzu kamen die üblichen Ausgaben für Strom, Wasser und Essen. Diese ständige Sorge hatte sie so geprägt, dass sie auch jetzt davon nicht frei war, sondern immer irgendwie ein schlechtes Gewissen hatte, wenn sie an die Eltern dachte. Sollte sie sich mehr kümmern? Aber hatte sie nicht auch ein Recht auf ihr eigenes Leben?
Wenn sie verärgert ist, wird sie rot, stellte Jake fest, während er beobachtete, wie sich ihre Wangen dunkelrosa färbten. Die Familie war offenbar in finanziellen Schwierigkeiten. Vielleicht war Holly die undichte Stelle in dem Unternehmen, weil sie Geld brauchte? Um Weihnachten herum, also noch vor Howards Tod, hatte man bei Blackstone das erste Mal bemerkt, dass Firmeninterna nach außen drangen.
Jetzt wandte sie den Kopf und tat so, als betrachte sie interessiert die Menschen, die in dieses Restaurant zum Lunch kamen. Aber Jake ließ sich nicht täuschen. Da sie sich seiner genauen Musterung nur zu bewusst war, wirkte ihre Miene verkrampft. Als sie die Hand hob und mit ihren Ohrsteckern spielte, musste er lächeln. Sie war nicht nur verärgert, sie war auch nervös.
Sehr interessant.
„Während Ihres Studiums an der Shiply Universität hatten Sie eine Teilzeitstelle“, fuhr er in seinem Report fort.
„Ja. In der Abteilung Business Management und Marketing.“
„In der Uni-Zeitschrift wurde Ihr außerordentliches Talent erwähnt. Man bot Ihnen eine Stelle an.“
„Ja, stimmt.“
„Warum haben Sie die nicht angenommen?“
„Blackstone hatte für mein Studium bezahlt. Warum sollte ich weggehen? Aber dass ich blieb, hatte weniger mit Pflichtgefühl zu tun. Es gefiel mir dort. Außerdem konnte ich bei Blackstone mehr verdienen, und die Aufstiegsmöglichkeiten waren sehr viel besser.“
Er beugte sich vor und legte die Unterarme auf den Tisch. „Viel Privatleben können Sie ja nicht gehabt haben in der Zeit. Entweder haben Sie Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet und nebenbei noch studiert.“
„Hatte ich auch nicht. Ich habe mich ganz auf meine Arbeit konzentriert.“
„Und weshalb haben Sie sich um den Job als meine Assistentin beworben?“
„Das habe ich nicht. Ich wurde abkommandiert.“
Aha. Dann war sie vielleicht immer noch ein bisschen sauer darüber.
Der Kellner kam und nahm ihre Bestellungen auf. Danach wollte das Gespräch nicht mehr recht in Gang kommen. Als Holly nach dem Brotkorb griff, hatte Jake die gleiche Idee, und ihre Finger berührten sich. Als habe sie einen Schlag bekommen, zuckte Holly zurück und sah Jake mit großen Augen an.
Und wieder kam ihr der Gedanke, den sie in den letzten Tagen immer zu verdrängen versucht hatte. Könnte es sein, dass sie eines Tages, wenn sie es denn zuließ, mehr waren als Chef und Assistentin? „Kann ich Sie etwas fragen?“, platzte sie heraus.
Er lehnte sich wieder zurück und griff nach seinem Wasserglas. „Fragen können Sie alles. Ob ich antworte, ist eine andere Sache.“
„Wie lange werden Sie hierbleiben?“ Wann
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