Diamantene Kutsche
existiert eine seltsame Verbindung. Er staunte selbst über diesen Gedanken, konnte ihn aber nicht zu Ende bringen, denn in diesem Augenblick geschah etwas, das ihn rasch von seinen Grübeleien über rätselhafte Schönheiten ablenkte.
Zuerst hörte er Glas splittern, dann lautes Gebrüll: »Stop! Stop the bloody ape!«
Fandorin erkannte Lockstones Stimme und rannte zurück zum Polizeirevier, stürmte den Gang entlang und in Lockstones Büro und sah, wie dieser wild fluchend versuchte, aus dem Fenster zu klettern, allerdings ziemlich unbeholfen – wegen der scharfen Glassplitter. Im Zimmer roch es verbrannt, unter der Decke hing Rauch.
»Was ist passiert?«
»Dieser … Hundesohn, diese Kreatur!« brüllte Lockstone und zeigte mit dem Finger hinaus.
Fandorin sah einen Mann in kurzem Kimono und mit Strohhut in Richtung Uferstraße rennen.
»Die Indizien!« seufzte der Sergeant und hieb schwungvoll mit seiner mächtigen Faust gegen das Fenster. Der Rahmen flog raus.
Der Amerikaner sprang hinunter.
Bei dem Wort »Indizien« drehte Fandorin sich zum Tisch um, auf dem noch vor zehn Minuten die Schwerter, der Kragen und der Spiegel gelegen hatten. Dort schwelte noch der Tuchbezug des Tisches, brannten Papiere. Die Schwerter waren unversehrt, doch das Zelluloid war zu einem verkohlten Röhrchen zusammengerollt, und die geschmolzene Oberfläche des Spiegels zerfloß zitternd.
Aber es war keine Zeit, die Zerstörung genauer zu betrachten. Fandorin schwang sich über das Fensterbrett und holte den bulligen Sergeant mit wenigen Sprüngen ein. Er rief: »Wieso hat es gebrannt?«
»Er entkommt!« blaffte der Sergeant anstelle einer Antwort. »Los, wir schneiden ihm den Weg ab, durch den ›Stern‹!«
Der Flüchtige war tatsächlich schon um die Ecke verschwunden.
»Er kam rein! Zu mir! Hat sich verbeugt!« brüllte Lockstone, während sie durch den Hintereingang in den Saloon »Stern« stürmten. »Und dann plötzlich das Ei! Auf den Tisch! Und gleich darauf Rauch und Flammen!«
»Was für ein Ei?« Auch Fandorin brüllte.
»Keine Ahnung! Aber es gab eine Stichflamme! Und er selber ist rückwärts zum Fenster raus! Der verdammte Affe!«
Das mit dem Affen war nun klar, aber das mit dem Feuer-Ei hatte Fandorin dennoch nicht begriffen. Die Verfolger rannten durch den halbdunklen Saal und stürmten hinaus auf den sonnenbeschienenen Bund. Der Strohhut war keine zwanzig Schritte vor ihnen. Mit verblüffendem Tempo zwischen den Passanten lavierend, gewann der »Affe« rasch an Vorsprung.
»Das ist er!« rief Fandorin beim Anblick der schmächtigen kleinen Gestalt. »Ich bin sicher, das ist er!«
Vor einer Wechselstube stand ein Constable mit einem Karabiner im Arm.
Lockstone schnarrte ihn an: »Was glotzt du so! Hinterher!«
Der Polizist rannte los, viel schneller als sein Chef und der Vizekonsul, konnte jedoch den Verbrecher nicht einholen.
Der Flüchtige bog von der Uferstraße in eine menschenleere Gasse ein und überquerte mit einem Satz eine kleine Kanalbrücke. Dort saß unter der gestreiften Markise des Cafés »Parisienne« gesetztes Publikum. Von einem Tisch erhob sich eine lange Gestalt – Doktor Twiggs.
»Meine Herren, was ist los?«
Lockstone winkte nur ab. Der Doktor rannte den Ermittlern nach und rief: »Was ist denn los? Hinter wem sind Sie her?«
Der Flüchtige war inzwischen gut fünfzig Schritt voraus, und der Abstand wurde immer größer. Ohne sich ein einziges Mal umzusehen, rannte er am anderen Kanalufer entlang.
»Er entkommt!« stöhnte der Sergeant. »Dort liegt die Eingeborenenstadt, ein wahres Labyrinth!«
Er riß seinen Revolver heraus, schoß aber nicht – die Entfernung war zu groß für einen Colt.
»Gib her!«
Der Polizeichef griff nach dem Karabiner des Constables, legte an, zielte und schoß auf den flinken Läufer.
Der Strohhut flog zur einen Seite, sein Träger zur anderen. Er fiel hin, überschlug sich mehrmals und blieb mit ausgebreiteten Armen liegen.
Im Café erhob sich Lärm, Leute sprangen von den Stühlen.
»Na also. Puh!« Lockstone wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß ab. »Gentlemen, Sie sind meine Zeugen – hätte ich nicht geschossen, wäre der Verbrecher entkommen.«
»Ein kapitaler Schuß«, lobte Twiggs mit Kennermiene.
Gemächlich überquerten sie die Brücke: Voran der sieghafte Sergeantmit dem rauchenden Karabiner, hinter ihm Fandorin und der Doktor, dann der Constable, und in respektvollem Abstand müßige Zuschauer.
»Wenn Sie ihn g-getötet
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