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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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mögen nicht.
    Der schneeweiße Kolonisator betrat die Landungsbrücke, und nun gab es keinen Zweifel mehr. Es war eindeutig Fandorin: Brünett, blaue Augen und vor allem – früh ergraute Schläfen. Donnerwetter, er hatte sich herausgeputzt wie zur Elefantenjagd.
    Der erste Eindruck war wenig tröstlich. Der Konsul seufzte und ging ihm entgegen. Der Schmetterling bebte bei der Erschütterung mit den Flügeln, blieb aber auf der Blume sitzen, ohne daß Doronin ihn entdeckte.
    Meine Güte, auch noch ein Brillantring am Finger, registrierte Doronin, als er den Ankömmling begrüßte. Nein, so was! Gezwirbelter Schnurrbart! Die Schläfen exakt gekämmt! Und diese satte Blasiertheit im Blick! Ein richtiger Tschazki 2 . Ein Onegin 3 . Hat das Reisen ebenso satt wie alles andere auf der Welt.
    Nach der gegenseitigen Vorstellung erkundigte er sich mit naiver Miene: »Erast Petrowitsch, sagen Sie rasch, haben Sie den Fuji gesehen? Hat er sich vor Ihnen verborgen oder sich gezeigt?« Underklärte sogleich in vertraulichem Ton: »Ich nehme das immer als Omen. Wenn jemand, der sich der Küste nähert, den Fuji sieht, dann wird Japan ihm seine Seele öffnen. Verbirgt sich der launische Berg dagegen hinter den Wolken, heißt das Pech! Dann kann man zehn Jahre hier leben und wird das Wichtigste dennoch nicht sehen und verstehen.«
    Natürlich wußte Doronin genau, daß der Fuji wegen der tief hängenden Wolken heute vom Meer aus nicht zu sehen sein konnte, aber er mußte diesem Child Harold aus der Dritten Abteilung ein wenig den Dünkel austreiben.
    Doch Fandorin ließ sich nicht ärgern oder verunsichern. Er entgegnete leicht stotternd: »Ich g-glaube nicht an Omen.«
    Natürlich nicht. Ein Materialist. Na schön, versuchen wir’s anders.
    »Ich bin mit Ihrem Dienstbuch vertraut.« Doronin hob entzückt die Brauen. »Eine beachtliche Karriere, sogar Orden! Und ein derart glanzvolles Feld verlassen Sie für unseren Krähwinkel? Dafür kann es nur einen Grund geben: Sie lieben Japan! Habe ich es erraten?«
    »Nein.« Fandorin zuckte die Achseln und warf einen Blick auf die Nelke am Revers des Konsuls. »Wie kann man etwas lieben, das man überhaupt nicht kennt?«
    »Und ob man das kann!« versicherte Doronin. »Weitaus leichter als die Dinge, die wir allzu gut kennen. Hm, ist das alles Ihr Gepäck?«
    Dieser Herr hatte so viel Zeug, daß er fast ein Dutzend Träger benötigte: Koffer, Kartons, Bücherbündel, ein riesiges dreirädriges Fahrrad und sogar eine Standuhr in Form des Londoner Big Ben, gut einen Sashen hoch.
    »Ein schönes Ding. Und so praktisch. Ich allerdings bevorzuge Taschenuhren« – diese höhnische Bemerkung konnte sich der Konsul nicht verbeißen, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt, erstrahlte in einem liebenswürdigen Lächeln und wies mit beidenHänden auf die Uferstraße. »Herzlich willkommen in Yokohama. Eine großartige Stadt, sie wird Ihnen gefallen!«
    Letzteres sagte er ohne jeden Spott. In den drei Jahren war die Stadt, die von Tag zu Tag größer und immer schöner wurde, Doronin ans Herz gewachsen.
    Vor nur zwanzig Jahren war dies noch ein winziges Fischerdorf gewesen, und nun war dank des Zusammentreffens zweier Zivilisationen ein bedeutender moderner Hafen entstanden: fünfzigtausend Einwohner, fast ein Fünftel davon Ausländer. Ein Stück Europa am äußersten Rand der Welt. Am meisten liebte Doronin den Bund – die Uferpromenade mit den schmucken Steinhäusern, den Gaslaternen und den gutgekleideten Passanten.
    Doch der angereiste Onegin begegnete dieser ganzen Pracht nur mit säuerlicher Miene, womit sich der neue Mitarbeiter bei Doronin endgültig unbeliebt machte. Der Konsul fällte sein Urteil: ein aufgeblasener Pfau, ein arroganter Snob. Aber ich bin auch gut – mir extra seinetwegen eine Nelke anzuheften, dachte er. Mit einer gereizten Handbewegung forderte er Fandorin auf, ihm zu folgen. Die Blume riß er aus dem Revers und schleuderte sie fort.
    Der Schmetterling flog auf, flatterte über den Köpfen der russischen Diplomaten herum und landete, bezaubert vom strahlenden Weiß, auf Fandorins Tropenhelm.
     
    Was mußte ich mich anziehen wie ein Narr, geißelte sich der Besitzer der wunderbaren Kopfbedeckung mit lila Gedanken. Gleich beim Verlassen des Schiffes hatte er angesichts der Menschen am Kai eine äußerst unangenehme Entdeckung gemacht für jemanden, der großen Wert auf die richtige Kleidung legt. Wenn man falsch angezogen ist, schauen die anderen einem nicht ins

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