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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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per Telegraf Theaterkarten, steigt in einen Zug und sitzt nach ein und einer Viertelstunde im Kabuki-Theater!«
    »Na, wenigstens K-kabuki und nicht Operette.« Der frischgebackene Vizekonsul betrachtete düster die Uferstraße. »Sagen Sie, wo sind denn die Japanerinnen im Kimono, mit Fächer und Schirm? Ich sehe keine einzige.«
    »Mit Fächern?« Doronin lachte. »Die sitzen in den Teehäusern.«
    »Das sind die einheimischen Cafés, ja? Dort trinkt man japanischen Tee?«
    »Natürlich kann man da auch Tee trinken. Nebenbei. Aber eigentlich geht man zu einem anderen Zweck hin.« Doronin demonstrierte mit den Fingern eine zynische Geste, die man eher von einem pickligen Gymnasiasten erwartet hätte, keinesfalls vom Konsul des Russischen Reiches. Fandorin blinzelte überrascht. »Möchten Sie eines besuchen? Ich selbst halte mich von solchen Teegesellschaften fern, aber ich kann Ihnen das beste Etablissement dieser Art empfehlen, es heißt ›Zimmer neun‹. Die Herren Seeleute schätzen es außerordentlich.«
    »Nein, nein«, erklärte Fandorin. »Ich bin ein p-prinzipieller Gegner der käuflichen Liebe und empfinde Freudenhäuser als eine Beleidigung sowohl für das weibliche als auch für das männliche Geschlecht.«
    Doronin warf einen schrägen Blick auf seinen zum zweitenmal erröteten Begleiter, enthielt sich aber eines Kommentars.
    Fandorin wechselte rasch das Thema.
    »Und die Samurai mit den zwei Schwertern? Wo sind die? Ich habe so viel über sie gelesen!«
    »Wir fahren durch das Settlement. Die einzigen Japaner, die hier leben dürfen, sind Ladendiener und Hauspersonal. Aber Samurai mit zwei Schwertern werden Sie heutzutage nirgends mehr sehen. Seit dem vorletzten Jahr ist das Tragen von Hieb- und Stichwaffen durch kaiserlichen Erlaß verboten.«
    »Wie schade!«
    »O ja.« Doronin griente. »Sie haben einiges versäumt. Das warein unvergeßliches Gefühl – ängstlich jeden Bastard mit zwei Säbeln am Gürtel zu beäugen, ob er vorbeigeht oder sich vielleicht umdreht und dir eins überzieht. Die Gewohnheit habe ich bis heute beibehalten – wenn ich durch die japanischen Viertel gehe, schaue ich mich ständig um. Wissen Sie, ich bin zu einer Zeit nach Japan gekommen, als es als patriotisch galt, Gaijins zu erstechen.«
    »Was sind Gaijins?«
    »Wir beide. Gaijin bedeutet Ausländer. Außerdem nennt man uns hier noch Akahige, Rothaarige, Ketojin – Behaarte, und Saru, also Affen. Und wenn Sie durch die Eingeborenenstadt gehen, werden die Kinder Sie folgendermaßen hänseln.« Der Konsul nahm die Brille ab und zog die Augenlider hoch und runter. »Das bedeutet ›Rundauge‹ und gilt als sehr beleidigend. Aber wenigstens wird man nicht mehr einfach so erstochen. Dank dem Mikado, der seine Kopfjäger entwaffnet hat.«
    »Aber ich habe gelesen, das Schwert sei für den Samurai ein Gegenstand ehrfürchtiger A-anbetung, wie der Degen für den europäischen Adligen.« Fandorin, der eine Enttäuschung nach der anderen erlebte, seufzte. »Haben die japanischen Ritter denn so leicht auf ihren alten Brauch verzichtet?«
    »Keineswegs. Das ganze letzte Jahr herrschte Aufruhr, es ging bis zum Bürgerkrieg, aber mit Herrn Okubo ist nicht zu spaßen. Er hat die Wildesten ausgerottet und die übrigen gezähmt.«
    »Okubo, das ist der Innenminister.« Fandorin nickte und offenbarte eine gewisse Beschlagenheit in der einheimischen Politik. »Die französischen Zeitungen bezeichnen ihn als Ersten Konsul, als japanischen Bonaparte.«
    »Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden. Vor zehn Jahren gab es in Japan einen Staatsstreich …«
    »Ich weiß. Die Meji-Restauration, die Wiederherstellung der kaiserlichen Macht«, beeilte sich Fandorin einzuflechten, denn er wollte nicht, daß sein Vorgesetzter ihn für gänzlich ungebildet hielt. »DieSamurai der südlichen Provinzen stürzten die Macht der Shoguns und erklärten den Mikado zum Herrscher. Das habe ich gelesen.«
    »Die südlichen Provinzen Satsuma und Choshu sind so etwas wie das französische Korsika. Es fanden sich auch korsische Leutnants, und zwar gleich drei: Okubo, Saigo und Kido. Sie überließen Seiner Kaiserlichen Majestät die Ehre und die Anbetung durch die Untertanen, die Macht aber übernahmen sie, wie in solchen Fällen üblich, selbst. Doch ein Triumvirat ist eine instabile Angelegenheit, zumal, wenn es aus drei Bonapartes besteht. Kido starb vor einem Jahr, Saigo entzweite sich mit der Regierung und zettelte einen Aufstand an, wurde aber besiegt und

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