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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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wich im letzten Moment aus, stellte ihm ein Bein und brachte ihn zu Fall. Kevin knallte mit voller Wucht gegen eine Schaukel, rappelte sich auf und stürmte wieder los. Nell duckte sich unter ihm weg und stellte ihm wieder ein Bein.
    »Okay«, sagte Kevin, »du hast gewonnen.« Er ging auf Nell zu und streckte die rechte Hand aus, als wollte er sie schütteln. Aber Nell hatte auch das schon gesehen und wußte, daß es ein Trick war. Sie streckte ebenfalls die rechte Hand aus, als wollte sie die von Kevin schütteln. Aber als Kevin mit angespannten Armmuskeln nach seiner Beute griff, drehte Nell die Handfläche nach unten, fuhr mit der Hand abwärts und zog sie dann quer über ihre Leibesmitte wieder zurück. Dabei beobachtete sie Kevin und sah, daß er mit dem Blick wie hypnotisiert ihrer Hand folgte. Sie bewegte die Hand weiter in einer langen Elypse, drehte die Handfläche nach oben, stieß zu und bohrte Kevin die ausgestreckten Finger in die gaffenden Augen.
    Er hielt die Hände vor das Gesicht. Sie trat ihn, so fest sie konnte, zwischen die Beine, wobei sie sich Zeit ließ und ihr Ziel genau anvisierte. Als er nach vorn klappte, packte sie seine Haare und rammte ihm das Knie ins Gesicht, dann schubste sie ihn, daß er auf den Hintern fiel, wo er sitzen blieb und im ersten Moment so überrascht war, daß er nicht einmal anfing zu plärren.
     

Hackworth speist in ehrwürdiger Gesellschaft;
in Diskurs über Scheinheiligkeit;
Hackworths Situation kompliziert sich weiter.
    Hackworth traf als erster in dem Pub ein. Er bestellte sich ein großes Glas Porter an der Bar, das in der nahe gelegenen Gemeinde Dovetail im Faß vergoren wurde, und schlenderte eine Weile herum, während er wartete. Er hatte den ganzen Vormittag an seinem Schreibtisch verbracht und genoß es, sich die Beine vertreten zu können. Das Etablissement war im Stil eines antiken Londoner Pubs etwa zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gehalten, wozu auch ein vorgetäuschter Bombenschaden in einer Ecke und Xe aus Klebeband auf den Fensterscheiben gehörten – was Hackworth lediglich Erinnerungen an Dr. X ins Gedächtnis rief. Signierte Fotos von britischen und amerikanischen Fliegern hingen hier und da an den Wänden, zusammen mit anderen Souvenirs aus den Tagen der angloamerikanischen Zusammenarbeit:
     
    S CHICKEN  
    Sie eine Waffe, um
    EIN BRITISCHES H EIM ZU VERTEIDIGEN
    Britische Zivilisten sind angesichts der Gefahr einer
    Invasion dringend auf Waffen angewiesen, um ihre
    Häuser zu verteidigen.
    S IE K ö NNEN HELFEN
    Amerikanisches Komitee zur Verteidigung 
    britischer Häuser
     
    Überall in dem Raum hingen Melonenhüte an Kleiderständern und Haken wie große Dolden schwarzer Trauben. Eine Menge Ingenieure und Artifexe schienen diese Gaststätte zu frequentieren. Sie saßen vor Gläsern mit Bier an der Theke oder aßen an den kleinen Tischen Steak-and-kidney-pies, während sie schwatzten und kicherten. Weder das Umfeld noch die Gäste hatten etwas Dünkelhaftes an sich, doch Hackworth wußte, daß es das A und O nanotechnologischen Wissens in den Köpfen dieser Kunsthandwerker der Mittelschicht war, das Wohlstand und Sicherheit von New Atlantis gewährleistete. Er mußte sich fragen, weshalb es ihm nicht genügt hatte, einfach einer der ihren zu sein. John Percival Hackworth setzte seine Einfälle in greifbare Materie um, und das machte er besser als alle anderen in diesem Lokal. Aber er hatte das Bedürfnis verspürt, noch weiter zu gehen - er hatte über die bloße Materie hinaus jemandes Seele berühren wollen.
    Und nun würde er, ob er wollte oder nicht, einige hunderttausend Seelen berühren.
    Die Männer an den Tischen sahen ihn neugierig an, nickten höflich und wandten sich ab, wenn er sie ansah. Hackworth hatte beim Hineingehen einen Spurbreiten Rolls-Royce vor dem Lokal parken sehen. Jemand Wichtiges hielt sich hier auf, offenbar in einem der Hinterzimmer. Hackworth und alle anderen Anwesenden wußten es, und sie befanden sich alle in einem Stadium höchster Aufmerksamkeit und fragten sich, was los sein mochte.
    Major Napier kam auf einem Kavalleriechevalin, Standardmodell, des Wegs geritten, betrat das Lokal Punkt zwölf Uhr mittags, zog den Offiziershut ab und begrüßte den Barkeeper aufs herzlichste. Hackworth kannte ihn, weil er ein Held war, und Napier kannte Hackworth aus provozierenderweise nicht näher ausgeführten Gründen.
    Hackworth nahm das Bierglas in die linke Hand und wechselte vor der Bar einen herzhaften Händedruck

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