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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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angehörte?
    An sich hätte er es schon an der Tatsache erkennen müssen, daß der Typ anständige Kleidung getragen und nicht wie alle anderen ausgesehen hatte. Die besondere Abgehobenheit dieser Leute hätte ihm auffallen müssen. Und auch daß der Typ keine Furcht gezeigt hatte, hätte ihn warnen sollen. Als hätte er nicht glauben können, daß jemand dumm genug war, ihn zu berauben.
    Nun, Bud war so dumm gewesen, Bud selbst gehörte keiner Phyle an, und darum saß Bud nun in der Scheiße. Bud sollte zusehen, daß er möglichst schnell bei einer unterkam.
    Vor ein paar Jahren hatte er schon einmal versucht, sich den Buren anzuschließen. Die Buren verhielten sich zu der Art von weißem Abschaum, der Bud angehörte, etwa so wie diese Ashanti zu den meisten Schwarzen. Vierschrötige Blondschöpfe in Anzügen oder den konservativsten Kleidern, für gewöhnlich mit einem halben Dutzend Kindern im Schlepptau; und Mannomann,
die
hielten vielleicht zusammen. Bud hatte dem hiesigen Lager einige Besuche abgestattet, sich in seinem Heimmediatron einen ihrer Trainings-Raktiven reingezogen, ein paar zusätzliche Stunden im Fitneßstudio absolviert, damit er ihren körperlichen Anforderungen entsprach, und er hatte sogar an einigen gräßlichen Bibelstunden teilgenommen. Aber letztendlich waren Bud und die Buren nichts füreinander. Es war unvorstellbar, wie oft man in die Kirche mußte – es war, als
wohnte
man in der Kirche. Und er hatte ihre Geschichte studiert, konnte aber nur soundso viele Scharmützel zwischen Buren und Zulus ertragen oder auswendig lernen. Das schied also aus; er würde heute nacht keine Aufnahme in einem Lager finden.
    Die Vickys würden ihn natürlich nicht in einer Million Jahren aufnehmen. Fast alle anderen Stämme waren rassenorientiert, wie zum Beispiel diese Parsis oder was auch immer. Die Juden würden ihn nur akzeptieren, wenn er sich was von seinem Pimmel abschnippelte und eine ganz andere Sprache lernte, was ein wenig hochgegriffen schien, da er noch nicht einmal gelernt hatte, Englisch zu lesen. Es gab eine Anzahl zönobitischer Phylen - religiöse Gruppierungen –, die Menschen aller Rassen aufnahmen, aber die meisten waren nicht besonders mächtig und hatten keine Grundstücke in den Leasing-Parzellen. Die Mormonen hatten Grundbesitz und waren sehr mächtig, aber er war nicht sicher, ob sie ihn so schnell und rückhaltlos aufnehmen würden, wie es erforderlich war. Dann gab es noch die Stämme, die die Leute einfach aus dem Nichts schufen - die synthetischen Phylen -, aber die wiederum basierten meistens auf gemeinsamen Fähigkeiten, einer verschrobenen Anschauung oder einem Ritual, die er nicht in einer halben Stunde lernen konnte.
    Schließlich, gegen Mitternacht, schlenderte er an einem Mann in einer komischen grauen Jacke und einer Mütze mit rotem Stern darauf vorbei, der versuchte, kleine rote Bücher zu verteilen, und da kam ihm der rettende Gedanke: Sendero. Die meisten Senderistas waren entweder Inkas oder Koreaner, aber sie nahmen jeden. Sie besaßen eine hübsche Klave hier in den Leasing-Parzellen, eine Klave mit guten Sicherheitsvorkehrungen, und jeder einzelne, bis auf den letzten Mann oder die letzte Frau, war ein Schläger. Sie konnten es jederzeit mit ein paar Dutzend Ashanti aufnehmen. Und man konnte jederzeit beitreten, indem man einfach nur durch ihr Tor spazierte. Sie nahmen jeden und stellten keine Fragen.
    Er hatte gehört, daß es nicht so toll wäre, Kommunist zu sein, aber er dachte, daß er unter den gegebenen Umständen den Rand halten und aus dem roten Buch zitieren konnte, was immer erforderlich war. Sobald diese Ashanti die Stadt wieder verlassen hatten, würde er die Fliege machen.
    Nachdem er sich nun entschieden hatte, konnte er es nicht mehr erwarten, dorthin zu kommen. Er mußte sich zurückhalten, um nicht in Laufschritt zu verfallen, was mit Sicherheit die Aufmerksamkeit der Ashanti auf der Straße erregt hätte. Den Gedanken, dem sicheren Hafen so nahe zu sein und es dann zu vermasseln, ertrug er nicht.
    Er bog um eine Ecke und sah die Mauer der Sendero-Klave, vier Stockwerke hoch, zwei Blocks lang, ein solides, gigantisches Mediatron mit einem winzigen Tor in der Mitte. Mao war an einem Ende zu sehen, wie er den unsichtbaren Massen zuwinkte, unterstützt von seiner Frau mit ihrem Pferdegebiß und Lin Biao, seinem flachstirnigen Handlanger; der Vorsitzende Gonzalo am anderen, wie er eine Schar kleiner Kinder unterrichtete, und dazwischen ein

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