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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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mein Milieu.«
    »Soviel steht verdammt beschissen fest«, sagte der Clown. »Setzen Sie die auf«, fuhr er fort und holte etwas aus seiner Tasche. Er streckte die Hand zu Hackworth aus, der drei oder vier Meter entfernt stand – aber seine Hand löste sich erschreckenderweise vom Arm und flog durch die Luft, so daß der schmutzige weiße Handschuh aussah wie ein Eisasteroid, der elliptisch zwischen den inneren Planeten hindurchraste. Die Hand schob etwas in Hackworths Brusttasche und verschwand wieder; aber weil Hackworth sie beobachtete, kreiste sie noch einmal in Form einer Acht vor seinen Augen, bevor sie sich wieder mit dem Armstumpf vereinigte. Hackworth begriff, daß der Clown mechanisch war. »Setzen Sie die auf, und reißen Sie sich zusammen, Mr. entfremdeter einsamer Steppenwolf weltfremder verschlossener metaisierender Technokrat beschissener rationalistischer Pißkopf.« Der Clown wirbelte auf dem Absatz herum, um sich zu entfernen; seine ausgelatschten Clownschuhe waren um eine Art Trickabsatz herum konstruiert, so daß er, wenn er auf dem Absatz kehrtmachte, sich tatsächlich auf dem Absatz herumdrehte und mehrere vollständige Umdrehungen ausführte, bevor er Hackworth schließlich den Rücken zuwandte und davonstürmte. »Revolutionär, oder nicht?« bellte er.
    Bei dem Ding in Hackworths Tasche handelte es sich um eine Sonnenbrille: eine Rundumbrille mit Gläsern, die wie ein Regenbogen funkelten; also etwas, wie es Jahrzehnte zuvor von einem Magnum-schwingenden Rebellen-Cop in einer vorzeitig abgesetzten Fernsehserie getragen worden wäre. Hackworth klappte sie auf und streifte die polierten Enden der Bügel vorsichtig über die Ohren. Als sich die Gläser seinen Augen näherten, konnte er Licht daraus strahlen sehen; es waren Phänomenoskope. In diesem Zusammenhang allerdings wäre das Wort
Phantaskope
wohl zutreffender gewesen. Das Bild wuchs, bis es seinen gesamten Sehbereich einnahm, wurde aber nicht scharf, bevor er die Brille nicht ganz aufgesetzt hatte, daher stürzte er sich widerstrebend in die Halluzination, bis sie klar wurde, und in diesem Augenblick erwachten die Bügel hinter seinen Ohren zum Leben, wuchsen um seinen Hinterkopf wie ein verkehrt herum schnalzendes Gummiband und vereinten sich in der Mitte zu einem unentrinnbaren Band. »Lösen«, befahl Hackworth, dann versuchte er es mit einer ganzen Reihe von anderen Standardbefehlen. Die Brille gab seinen Kopf nicht mehr frei. Schließlich strahlte ein Lichtkegel von irgendwo am Himmel herab und beleuchtete die Bühne. Flutlichter wurden eingeschaltet, und ein Mann mit Zylinder kam hinter einem Vorhang hervor. »Willkommen zu unserer Vorstellung«, sagte er. »Sie können die Brille jederzeit abnehmen, indem Sie mindestens neunzig Prozent des Publikums zu einer stehenden Ovation bringen.« Dann verschwanden Licht und Vorhang, und Hackworth sah wieder dasselbe wie vorher, nämlich eine kybernetisch vergrößerte Nachtsicht des Schiffsdecks.
    Er versuchte es mit einigen anderen Befehlen. Bei den meisten Phänomenoskopen gab es einen transparenten Modus, zumindest jedoch einen durchscheinenden, der dem Träger ermöglichte, auch das zu sehen, was wirklich da war. Aber diese hier blieben halsstarrig milchig und zeigten ihm lediglich eine mediatronische Simulation der Szene. Die schlendernden und plaudernden Theaterbesucher wurden lediglich in Form von lächerlich vereinfachten Raumgittern repräsentiert, eine Technologie der Darstellung, die seit rund achtzig Jahren nicht mehr verwendet wurde und eindeutig darauf abzielte, Hackworth zu reizen. Jede Figur hatte ein großes Plakat vor die Brust geschnallt:
     
    J ARED M ASON G RIFFIN III, 35
Jahre
    (zu spät, eine interessante Figur wie Sie zu werden!)
    Neffe eines Lords im Range eines Earl
    (beneiden Sie ihn nicht?) Verheiratet mit der verhungerten Schlampe
    an seiner Rechten
    Sie machen diese kleinen Eskapaden, um ihrem
    verkorksten Leben zu entfliehen.
    (warum sind Sie hier?)
     
    Hackworth sah nach unten und versuchte, das Plakat auf seiner Brust zu lesen, aber es gelang ihm nicht.
    Wenn er auf dem Deck spazierenging, veränderte sich seine Perspektive entsprechend. Darüber hinaus gab es eine Standardschnittstelle, die es ihm ermöglichte, über das Schiff zu »fliegen«. Hackworths Standort blieb selbstverständlich derselbe, aber die Perspektive der Brille koppelte sich von seinen wahren Koordinaten ab. Wann immer er diesen Modus benutzte, wurde nachfolgende Legende mit riesigen

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