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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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mächtige Portal erreichte, stand es für sie offen, und niemand bewachte es. Prinzessin Nell ritt auf die breiten Straßen des Schlosses von König Kojote.
    Es war der schönste Ort, den sie je gesehen hatte. Hier waren Gold und Kristall nicht in der Schatzkammer des Königs versteckt, sondern wurden als Baustoffe verwendet. Überall wuchsen Grünpflanzen, denn König Kojote war fasziniert von den Geheimnissen der Natur und hatte seine Agenten in die entlegensten Winkel der Welt geschickt, damit sie exotische Samen mitbrachten. Die breiten Prachtstraßen im Schloß von König Kojote wurden von Bäumen gesäumt, deren ausladende Äste sich über den Quadersteinen schlossen und raschelnde Gewölbe bildeten. Die Unterseiten der Blätter waren silbern und schienen schwaches Licht zu verströmen, und auf den Ästen wuchsen violette und magentarote Bromelien, so groß wie Kessel, die einen süßlichen, angenehmen Duft verströmten, so daß sie unablässig von Kolibris mit roten Kehlen umschwärmt wurden, und in dem Wasser, das in ihren Kelchen stand, tummelten sich winzige fluoreszierende Frösche und Insekten.
    Die Straße der Boten wurde mit polierten, zwischen den Steinen angebrachten Messingplatten markiert. Prinzessin Nell folgte ihnen den prachtvollen Boulevard entlang in einen Park, der die gesamte Stadt umgab, und danach auf eine Straße, die sich spiralenförmig um die zentrale Erhebung in die Höhe wand. Während das Pferd sie den Wolken entgegentrug, knackte es immer wieder in ihren Ohren, und von jeder Kurve in der Straße aus hatte sie eine herrliche Aussicht über die Stadt und die Konstellationen schwebender Palisaden, wo die Rabenwächter sich in die Lüfte erhoben, scharenweise ankamen und wegflogen und Neuigkeiten aus jedem Winkel des Königreichs brachten.
    Sie ritt an einer Stelle vorbei, wo König Kojote einen Anbau an das Schloß vornehmen ließ, aber Statt eines Heers von Maurern und Zimmerleuten arbeitete nur ein Mann dort, ein vierschrötiger Bursche mit grauem Bart, der eine lange, schlanke Pfeife paffte und einen Lederbeutel am Gürtel trug. Als er die Mitte der Baustelle erreicht hatte, griff er in diesen Beutel und holte einen großen Samen heraus, etwa so groß wie ein Apfel, den er in die Erde steckte. Als der Mann zur Straße zurückgegangen war, hatte sich bereits ein hoher Schacht aus glänzendem Kristall aus dem Erdreich herausgebohrt, der im Sonnenschein funkelte und Äste bildete wie ein Baum. Als Prinzessin Nell die nächste Biegung erreichte, paffte der Baumeister zufrieden vor sich hin und betrachtete ein Kristallgewölbe, das fast den ganzen Bauplatz überspannte.
    Dieses und viele andere Wunder sah Prinzessin Nell auf dem langen Weg die gewundene Straße hinauf. Die Wolken verzogen sich, und Nell stellte fest, daß sie in alle Richtungen über weite Strecken sehen konnte. König Kojotes Reich lag mitten im Herzen des Landes Jenseits, und sein Schloß stand auf einer Hochebene im Zentrum dieses Reiches, so daß er von seinem Fenster aus in jede Richtung bis zum glitzernden Meer sehen konnte. Nell sah angestrengt zum Horizont, während sie der innersten Zitadelle des Königs entgegenstieg, und hoffte, daß sie die ferne Insel sehen könnte, wo Harv im Dunklen Schloß wartete; aber es gab viele Inseln im fernen Meer, und es war schwer, die Türme des Dunklen Schlosses von Berggipfeln zu unterscheiden.
    Schließlich verlief die Straße eben und führte zu einem weiteren unbewachten Tor in einer anderen hohen Mauer, und Prinzessin Nell befand sich in einem grünen Blumengarten vor der Zitadelle des Königs - ein
hoher Palast, der aussah, als wäre er aus einem einzigen Diamanten von der Größe eines Eisbergs gehauen worden. Inzwischen stand die Sonne tief im Westen, ihre organgeroten Strahlen brachten die Mauern der Zitadelle zum Leuchten und ließen überall Regenbogen aufleuchten wie Splitter einer geborstenen Kristallschüssel. Etwa ein Dutzend Boten standen Schlange vor den Toren der Zitadelle. Sie hatten ihre Pferde in einer Ecke des Palastes zurückgelassen, wo ein Wassertrog und Heu bereitstanden. Prinzessin Nell folgte ihrem Beispiel und reihte sich in die Schlange ein.
    »Ich hatte noch nie die Ehre, König Kojote eine Nachricht zu überbringen«, sagte Prinzessin Nell zu dem Boten vor ihr in der Reihe.
    »Es ist ein Erlebnis, das du nie vergessen wirst«, sagte der Bote, ein großspuriger junger Mann mit schwarzem Haar und einem Ziegenbärtchen.
    »Warum müssen wir hier

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