Diana, Farben und Begierde (German Edition)
Dreesen. Millonenschwer, hat einmal
beinahe die komplette Ausstellungsware von Thomas in Bausch und Bogen
gekauft. Einfach so! Dieses arrogante Arschloch! Meinte wohl, ich
gehörte auch zu dem Kauf! Kannst dir ja vorstellen, Sabine,
wie?“
Ich
nicke und nehme einen Schluck.
„Seine
fetten, dicken Finger! Und wie der transpirierte! Mein Gott!“
Ich
bemühe mich, ein interessiertes Gesicht zu machen und dennoch
schweifen meine Blicke hin und her. Wo ist er? Soll ich ins Atelier
rein? Da ist ja offensichtlich was los, denn ich höre
Stimmengewirr und Gelächter.
„Dann
die olle Kaminski! Die mit dem blauen Hut dort drüben!“
Schnell
richte ich mein Augenmerk auf die Dame mit dem hohen blauen Hut, die
an dem Tisch neben uns steht und ein lautes, perlendes Lachen über
die Tische schickt.
„Madame
will um jeden Preis in Thomas` Bett! Na, was denn! Er solle sie
malen! Akt! Sie würde alles zahlen, alles! Unter uns, das könnte
sie auch! Geld wie Heu, die Schnepfe!“
Viola
hat die Serviererin entdeckt und macht Handzeichen. Die
Cateringangestellte nähert sich unserem Tisch, dann stehen zwei
frisch gefüllte Gläser zwischen uns.
„Das
macht Thomas aber nicht! Nicht um alles Geld der Welt! Er ist
Künstler! Ein begnadeter Maler! Ein Genie!“
Ich
beobachte Viola, wie sie diese Worte spricht. Die ist ja mal in ihn
verknallt, so viel steht fest!
„Und
jetzt umkreist sie ihn, wie einer dieser blöden Planeten die
Sonne! Ist überall, wo mein Thomas öffentlich auftritt.
Ganz egal wo. Ist ihm einmal gar bis Madrid nachgereist! Stell dir
das mal vor, Sabine!“
Ich
begreife, dass Thomas doch mehr sein muss als einer dieser
Wald-und-Wiesenmaler, so, wie Viola mir ihn schildert, scheint er
doch mehr Künstler zu sein, als ich ihm zugestehen wollte, als
ich mir vorstellen wollte. Es wäre ja viel einfacher, ihn als
Stümper zu betrachten, dann könnte ich das einordnen in
meine Verhaltensweisen, damit könnte ich locker umgehen, aber
Madrid und Geldadel und Vernissagen und dieses ganze Drumherum! Was
hatte ich mir denn als Atelierfest vorgestellt? Na ja, so Schnittchen
und dumme Sprüche, ein paar durchschnittliche Gesichter eben und
Alkohol. Ich blicke mich um: Das hat hier mehr etwas von einer
noblen, hohen, edlen und kostspieligen Angelegenheit. Und alle
scheinen so vertraut miteinander. Und nun erkenne ich gar einen
Lokalpolitiker, dessen Gesicht ich schon mal auf diesen
unvermeidlichen Plakaten gesehen hatte, und dann, ja, geht da nicht
eben die Hinrichs mit wehenden Haaren ins Atelier hinein ? Die
Hinrichs, der der Feuilleton und die halbe Kunstwelt zu Füßen
liegen nach ihrem letzten Auftritt in Bayreuth! Zusehends verlässt
mich die Selbstsicherheit und das Lockere. Ich fühle mich klein
und unbedeutend.
Wie
werde ich Viola los?
Schon
plappert sie weiter, von Ausstellungen und Vernissagen, von
Kunstdrucken und einer Photosession, von einem Interview mit der
Kulturredaktion der ARD, dann Arte, und so weiter.
Die
Kleine will Dampf ablassen, keine Frage. Ich aber fühle mich
zunehmend eingeengt und ausgenutzt, während ihr Wortschwall
ungebremst auf mich einprasselt.
„Ich
sehe mich mal ein wenig um, Viola! Ja?“
Sie
guckt mich entgeistert an.
„Macht
doch alle, was ihr wollt!“, schreit sie plötzlich laut.
Einige drehen sich zu uns hin.
Ich
lasse sie stehen und steuere das Atelier an.
Die
grüne Holztüre kenne ich ja schon! Diesmal steht sie
sperrangelweit offen.
Wie
gut ich mich plötzlich wieder fühle! Locker und beschwingt
schreite ich in das Atelier.
Alles
erstrahlt in hellem Licht, das die großen Lüster von der
Decke aus verteilen. Die schrägen Dachfenster lassen Blicke in
den dunkelnden Abendhimmel zu. Hier, im Inneren, herrscht ein enormer
Lärmpegel. Ich sehe unzählige Besucher, die Getränke
ordern, die lachen, Zigarren paffen, knutschen, fachsimplen, die mit
Bildern gespickten Atelierwände mustern, die quatschen, johlen,
lärmen.
Ich
fühle mich verloren.
Wo
ist er denn?
Er
hat mich ja eingeladen!
Da
soll er sich auch um mich kümmern!
Ach,
Sabine! Was soll denn das? Sei nicht kindisch!
Meine
Stimmung fällt und fällt, während ich durch die großen
Räume hetze. Da, ja, Diana !
Das halb fertiggestellte Gemälde steht noch immer so da, wie ich
es am späten Nachmittag entdeckt habe. Einzelne Besucher lungern
davor herum und deuten mit Sektglas bewaffneten Händen in die
Farben, in das Motiv, das Arrangement.
Eine
naive Wut packt mich! Das
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