Diana, Farben und Begierde (German Edition)
ist mein Bild! Ich habe es schließlich
zuerst und alleine betrachten können! Was bilden sich diese
Armleuchter ein!
Ich
nähere mich der kleinen Gruppe.
„....die
Diagonale aufgelöst, und dennoch, diese Tiefenwirkung!
Unbeschreiblich!“, schwärmt ein dickbauchiger, rotbackiger
Mittfünfziger. Neben ihm steht eine recht einfältig und
dümmlich dreinblickende Frau, deren Kleid einen unverschämt
tiefen Einblick zulässt, ja, um ein Haar könnte man ihren
Nabel begutachten.
„Das
scheint doch eine radikale Neuorientierung zu bedeuten, meine ich! In
keinem seiner Werke hat er diese Grenze überschritten, ganz
klar! Wo ist er denn? Ich muss es haben! Ich MUSS!“, schließt
ein weiterer Betrachter seine Ausführungen.
Ich
gehe weiter. An einem kleinen Tisch in der Saalecke sehe ich einen
Stapel glänzender Kataloge. Soll ich? Na, ja doch!
Ich
blättere die bunten Seiten durch und fühle wieder, wie sehr
ich mich doch von meinem ersten Eindruck verabschieden muss. Da sieht
man Bilder von Ausstellungen, die in halb Europa vor sich gegangen
waren: Berlin, Paris, Madrid, London, Verona, Zürich.....
Und
dann diese Bilder! Eine Doppelseite betrachte ich eben: Farben, so
ausdrucksstark, voll, akzentuiert, verschlungen, verwoben, hell und
kräftig, Schemen, Figuren, Lichteinfall, alles in derart
gekonnter, meisterhafter Ausführung, dass ich mir kleiner und
unbedeutender vorkomme. Nun ist es gar so weit, dass ich mir wie eine
Hochstaplerin fühle, weil ich gleichsam unberechtigt in diesen
wunderbaren Hallen herumstolziere. Und ich habe auch noch Viola
erwähnt, ich wäre die Nachbarin! Ach Gott! Bloß die
Nachbarin! Ich komme mir vor, als stünde ich nackt inmitten des
Festpublikums, inmitten der reichen Gönner und der noblen Damen,
der Kunstkenner, der Literaten und Photographen, der Journalisten und
der Mäzene und habe endlich all mein Selbstbewusstsein
aufgebraucht.
„Na,
endlich! Da bist du ja, Zauberwesen! Ich hoffe doch, dass ich `Du`
sagen darf?“
Rasch
drehe ich mich um.
Da
steht er und zeigt ein offenes, warmes Lächeln.
„Sabine,
ja, darfst du!“, plappere ich und spüre, wie er meinen Arm
ergreift.
„Die
übliche Rasselbande!“, flüstert er, während wir
durch den großen Saal wandern.
Seine
Hand fühlt sich leicht und sanft, unaufdringlich an, scheint
keinerlei Druck auszuüben. Ich erliege bald der Versuchung und
drücke ab und an fester zu, als wollte ich mich vergewissern,
dass er meine Hand noch hält.
Er
trägt einen dunklen, schwarzen Anzug, ein weißes Hemd,
keine Krawatte. An seinem linken Handgelenk baumelt eine kleine
Silberkette. Die schwarzen Locken, die weit über die Schulter
hinabreichen, rahmen sein schlankes Gesicht ein. Hie und da kann ich
kleine Bartstoppeln erkennen, am Kinn und auch am Hals, wenn sein
Adamsapfel auf und ab gleitet, während er spricht oder lauthals
auflacht.
Ein
leicht dunkler Teint liegt über seiner Erscheinung. Als käme
er eben frisch vom Meer. Ich rieche ein dezent eingesetztes Parfüm,
etwas subtiles, geheimnisvolles, nicht zu verschwenderisch
aufgetragen, manchmal kann ich diesen Duft finden, wenn er sich
unvermittelt zu mir hin dreht, um mir wieder etwas ins Ohr zu
flüstern, dann ist dieser geheimnisvolle Duft wieder wie
fortgezogen.
Er
stellt mich einer Unzahl von Leuten vor. Ich grüble noch immer,
weshalb er das tut? Und auch bin ich mir jetzt fast sicher, dass er
mich heute Nachmittag nicht gesehen hat, er hat mich nicht bemerkt,
als ich da in seinem Zimmer stand, das scheint mir nun ganz klar, ja.
Ich
spüre, wie viel Respekt und aufrichtige Bewunderung ihm entgegen
gebracht wird. Alle haben dieses ehrliche, strahlende Lächeln in
ihren Gesichtern, wenn er auf sie zukommt.
Er
ist der Star, der Mittelpunkt, und er weiß das, und dennoch, er
verhält sich keineswegs exaktiert oder trägt zu dick auf.
So, als flanierte er auf einem Marktplatz dahin, so grüßt
er diese, dann jene, lässt hier ein paar Worte fallen, tätschelt
Hände, erwidert Grüße, lacht und scherzt.
Ich
treffe nun all diese Menschen: die Opernsängerin (aus der Nähe
betrachtet, verliert sie für mich viel von ihrer imposanten
Strahlkraft, ja, ich kann ganz deutlich diese schlecht retuschierten
Augenringe ausmachen, dann die Krähenfüße...), den
Bankdirektor einer mittelgroßen Sparkasse, der einen sehr
distingierten, zurückhaltenden Eindruck auf mich macht, dann
stellt Thomas mir einen Kollegen vor, der sich seltsam einsilbig
gibt, an einem
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