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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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existierten nur eine Variante von jedem, plus die Antiteilchen. Es gab Gluonen, Gravitonen und Photonen, aber keine W- oder Z-Bosonen, die den Prozeß der Flavor-Veränderung von Quarks vermittelten. Drei Quarks oder Antiquarks bildeten zusammen ein geladenes ›Nukleon‹ oder ›Antinukleon‹, ähnlich einem gewohnten Proton oder Antiproton, und das einzige Lepton und sein Antiteilchen entsprach in etwa einem Elektron und Positron, doch es gab keine Kombination von Quarks, die etwas ergeben hätte, was mit einem Neutron vergleichbar war.
    Orlando musterte die Teilchentabelle. »Das Lepton ist ebenfalls viel leichter als das Nukleon, das Photon hat eine Ruhemasse von null, und die Gluonen verhalten sich genau wie Gluonen … Wodurch wird also die chemische Energie der nuklearen angeglichen?«
    »Du hast gesehen, was in der Gravitationsmulde geschieht.«
    »Was hat das damit zu tun? Aha! Dasselbe findet im Atom statt? Auch die elektrostatische Anziehung wirkt sich in der umgekehrten vierten statt der zweiten Potenz aus, so daß es keine stabilen Orbits gibt, richtig?«
    »Richtig.«
    »Einen Moment.« Orlando schloß die Augen, während er offenbar uralte Erinnerungen an seine Ausbildung als Körperlicher wachrief. »War es nicht die Unschärferelation, die Elektronen daran hindert, in den Atomkern zu stürzen? Selbst wenn kein Bewegungsimpuls vorhanden ist, kann die Anziehungskraft des Kerns die Elektronenwelle nicht zu eng zusammenquetschen, weil eine Eingrenzung ihrer Position nur den Impuls verstärken würde.«
    »Ja. Aber wie sehr wird er verstärkt? Die räumliche Eingrenzung einer Welle wirkt sich umgekehrt proportional auf die Impulsverteilung aus. Kinetische Energie ist proportional zum Quadrat des Impulses, woraus sich das umgekehrte Quadrat ergibt. Also wirkt die effektive ›Kraft‹, die von der Entfernung abhängige Veränderungsrate der kinetischen Energie, in der umgekehrten dritten Potenz.«
    Orlandos Gesicht hellte sich für einen Moment mit der puren Freude des Verstehens auf. »In drei Dimensionen kann ein Proton also niemals mit einem Elektron zusammenstoßen, weil die Unschärferelation praktisch als Zentrifugalkraft wirkt. In fünf Dimensionen genügt das jedoch nicht.« Er nickte bedächtig, als hätte er allmählich die Unvermeidlichkeit dieser Tatsache verstanden. »Das heißt, die Leptonenwelle schrumpft auf die Größe des Nukleons. Und was dann?«
    »Sobald sich das Lepton im Innern des Nukleons befindet, wird es nur noch durch den Teil der Ladung nach innen gezogen, der dem Zentrum näher ist als es selbst, was ungefähr der fünften Potenz der Entfernung vom Zentrum proportional ist. Das bedeutet, daß die elektrostatische Kraft nicht mehr in der umgekehrten vierten Potenz wirkt, sondern linear wird. Also ist die Energiemulde nicht bodenlos. Außerhalb des Nukleons ist sie zu steil, als daß sich das Lepton ›dagegenstemmen‹ könnte, so wie es ein Elektron in drei Dimensionen tut, doch im Innern des Nukleons krümmen sich die Seiten zusammen und treffen sich in einem Paraboloid.«
    Sie gingen zur ersten chemischen Demonstration der Ausstellung weiter, die die paraboloide Senke im Boden der Mulde zeigte, über die eine durchscheinende elektrisch-blaue Glockenform gestülpt war: die Leptonenwelle im Grundzustand der geringsten Energie. Orlando berührte das Gebilde, worauf es in einen angeregten Zustand sprang. Es teilte sich und entfernte sich vom Zentrum, um zwei isolierte Wölbungen zu bilden, von denen die eine rot eingefärbt war, um die entgegengesetzte Phase anzuzeigen. Nach ein paar Tau blitzte die Welle grün auf, emittierte spontan ein Photon und fiel in den niedrigsten Energiezustand zurück.
    »Das ist also das Äquivalent eines Wasserstoffatoms in dieser Makrosphäre?«
    Paolo stieß ebenfalls die Welle an, um sie auf das nächsthöhere Niveau zu bringen. »Eher eine Kreuzung aus einem Wasserstoffatom und einem Neutron. In der Makrosphäre gibt es keine Neutronen, aber ein positives Nukleon mit einem eingebetteten negativen Lepton, so daß sich die Ladung neutralisiert und das Ganze entfernt einem Neutron ähnelt. Blanca hat es als ›Hydron‹ bezeichnet. Wenn man versucht, zwei zu einem ›Hydron-Molekül‹ zu verbinden, erhält man etwas, das eher an Deuterium erinnert.« Das Exponat reagierte auf seine Worte und stellte gehorsam eine animierte Demonstration zur Verfügung.
    Orlando seufzte schwer. »Ich verstehe nicht, daß du diese Fakten so ruhig akzeptieren

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