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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Morsbach
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Frechheit. Es handelt sich um eine Serie, die zuerst V ersuche über den Wendehals heißen sollte. Ich fand das diskriminierend.«
    » Warum?«
    » Weil hier Ossis sich für Opportunismus schämen sollten. Opportunismus ist aber kein Ostproblem!«
    » Warum regst du dich auf?«
    » Weil tausend Mark zu verdienen waren – aber nur für Ossis, die sich für Ossis schämen!«
    » Und dann haben sie dir zuliebe den Titel geändert?« fragt Sidonie schmelzend. » Und du verdienst tausend Mark mit Metamorphosen ?«
    » Daß ich Prosa schreiben muß, ist schlimm genug!«
    Ich ahne jedoch, daß Trost hier nicht zu erwarten ist. Mir fällt ein, wie meine Malerin Franziska mir Egozentrik vorwarf. Ich sagte: » Lyrik ist Egozentrik. Sie einem Lyriker vorzuwerfen, hieße ihm vorwerfen, daß er Lyriker ist.« » Du bist wie ein Metzger, der aus seinem Beruf ableitet, daß er seine Frau metzeln darf«, erwiderte Franziska. Beim Abschied sagte sie: » Wenn du es mal irgend schaffst, über einen anderen Menschen zu schreiben, kannst du wiederkommen.«
    Franziska heiratete einen Kombinatsdirektor. Und ich, da es zu spät ist, versuche Charakterbilder … für tausend Mark. Ich habe, denke ich aber dann, das Meine getan: mich auf Kosten, zugegeben, der Meinen geöffnet und jahrzehntelang geschunden für hundert gute Zeilen, die vielleicht einmal als freie Zeugen gelten werden unseres mißglückten Ländchens, des fehlerhaften Experiments, des Scheiterns der Gerechtigkeit. Nein wir werden nicht vermißt / wir haben stark zerbrochne hände steife nacken – » Außerdem wird es so nichts!« keuche ich. » Der Text ist viel zu kurz! Dafür gibt mir keiner auch nur fünfhundert!«
    » Bei uns sagt man: Wenn der Wind fehlt, muß man rudern«, bemerkt Sidonie, tröstend nun immerhin doch.
    *
    Sidonie redet gern in Bildern. Wie kann jemand, der nicht mehr ganz jung ist, in so schlichten Bildern reden und dabei so gut gelaunt sein? Ich ärgere mich, daß nicht mal ich, sondern Bernd auf die Idee kam, sie zu fragen. Nicht nach den Bildern, sondern nach dem Frohsinn.
    Am Kamin also, schnurrend vor Behaglichkeit, erklärt Sidonie, daß sie zum ersten Mal im Leben das Gefühl habe, das Richtige zu tun. Und das sei ein Glück von morgens bis abends.
    Warum hat sie früher das Falsche getan?
    Sie traute sich nicht! Die Eltern, Rumäniendeutsche, waren mit mehreren Kindern nach Kriegsende aus dem Banat geflohen, wollten im Reich alles richtig machen und arbeiteten bis zum Umfallen. Sidonie kam als Nachzüglerin bereits in Ulm zur Welt, ins gemachte Nest. Durfte sich deshalb Flausen erlauben, aber nicht zu viele. Studierte Musik, weil schon Onkel Emil auf der Klampfe gespielt hatte und Großvater August Akkordeon. Träumte heimlich vom Schreiben, war aber sprachungewiß: Im Elternhaus redete man ein Schwäbisch von 1718, die Schulkameradinnen lachten sich krank. Musik als Profession aber ist ein hartes Brot. Sidonie hätte nie gedacht, daß man so kämpfen muß. Gab zu schnell auf, unterrichtete Kinder, sang im Chor, warf sich seitdem vor, nicht weit genug gesprungen zu sein. Geriet an den Zahnarzt, von dem ihre Eltern begeistert waren. Aber der war eine Sackgasse.
    Wieso das?
    Das falsche Leben! Adrett und beschränkt sein. Aufwendiger Leerlauf. Ein hübscher, verwöhnter Mann, der beschäftigt werden wollte.
    Über diese Bemerkung denke ich nach.
    » Vermißt du die Liebe nicht?«
    » Der Preis ist hoch«, sagt sie errötend. Ich mag es, wenn sie errötet.
    » Wie kamst du zum Schreiben?«
    Im Chor, bei einer Aufführung des Verdi-Requiems lernte sie eine ungemein tapfere Opernsängerin kennen, die so farbig von ihrem grausamen Handwerk erzählte, daß bei Sidonie der Groschen fiel.
    Welcher Groschen?
    » Diese Frau hatte es von Kindheit an unendlich schwer. Niemand hat sie behütet, niemand gestützt, niemand gefördert, sie kämpfte, immer am Abgrund. Eine solche Verzweiflung und Hingabe, das hat mich beeindruckt. Und die Menschen im Theater sind so gemein! Manchmal tat es weh zuzusehen, ich dachte oft, warum gibt sie nicht auf? Ich traute mich nicht zu fragen. Ich glaube, sie wäre vor meinen Augen explodiert. Was willst du erreichen? fragte ich. Sie antwortete: Ich will gehört werden!«
    » Tja, worüber schreibt man in einem Land, in dem es um nichts geht?« Das ist Robert.
    » Es geht überall um alles«, widerspricht Sidonie. » Klar, wenn man versorgt ist, merkt man das nicht so. Aber in allen Leben wirken ähnliche Muster.«
    » Und, was

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