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Dickner, Nicolas

Dickner, Nicolas

Titel: Dickner, Nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolski
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Maple-Leafs-Kappe seinen Einkaufswagen mit einer Beuteladung Leergut.
    Noah betrachtet furchtsam die imposante Eingangstür des Hotels. Eine halbe Tonne Eiche und funkelndes Messing. Niemand auf dem Vorplatz. Der Portier ist damit beschäftigt, den Obdachlosen aus dem Blickfeld der Gäste herauszuhalten. Noah zieht die Tür auf und lässt sich von der großen Eingangshalle einsaugen. Weiche Teppiche, Nachbauten alter Möbel, Kristallleuchter – er fragt sich, was er hier verloren hat. Er schaut auf den zerknüllten Kassenbon, auf dessen Rückseite er die Zimmernummer notiert hat, und nimmt den Aufzug in die oberste Etage.
    Arizna entschuldigt sich, ihn in diesem unpersönlichen Penthouse zu empfangen, jedoch habe sie keine andere Wahl als im Hotel zu wohnen, da ihr Großvater nach Miami gezogen sei.
    „Er hat die Diplomatie gegen Import-Export eingetauscht, der alte Fuchs.“
    Sie schenkt Noah ein Glas Perrier ein (der mit Wehmut an seinen Kasten Bier zurückdenkt) und setzt sich ihm gegenüber in eine Art purpurnen Louis XV-Sessel. Betretenes Schweigen macht sich im Penthouse breit.
    „Du klangst irgendwie komisch am Telefon“, wagt sie sich vor. „Habe ich dich gestört?“
    „Nein“, lügt er. „Dein Anruf hat mich überrascht. Ich dachte, du wärst in Venezuela.“
    „War ich auch. Ich bin gerade angekommen.“
    „Man kann sagen, du hast ein bewegtes Leben. Wohnst du in Caracas?“
    „Nein. Mein neues Zuhause ist auf der Isla Margarita, mein Großvater hat ein Haus dort. Aber die meiste Zeit verbringe ich in der Hauptstadt.“
    „Studierst du noch?“
    „Nur noch Teilzeit. Ich habe im Augenblick andere Projekte. Ich bereite mich darauf vor, einen Verlag zu gründen, weißt du.“
    Ein Mobiltelefon auf dem Tisch fängt an zu vibrieren. Arizna entschuldigt sich und nimmt den Anruf in flinkem Spanisch entgegen. Es geht um Verträge, Treffen, Prozente. Sie scheint recht zufrieden zu sein, als sie eine Minute später das Telefon auf den Tisch zurücklegt. Sie notiert sich etwas in ein kleines Buch, nickt und schenkt Noah Wasser nach.
    „Einen Verlag also?“, erkundigt sich Noah höflich.
    „ Editorial Tortuga heißt er.“
    „Wie deine Forschungsgruppe, nicht?“
    „Genau. Ich werde übrigens auch mit dem Instituto Indigenista zusammenarbeiten. Projekte haben wir genügend. Im Januar starten wir eine vierteljährliche Zeitschrift zur indianischen Forschung. Dann die zwei ersten Titel in unserem Katalog: Anfang März ein Buch über Zapatismus und alternative Wirtschaftsformen und Anfang Sommer ein Geschichtsbuch zur präkolumbischen Geschichte.“
    „Große Projekte. Glaubst du, das klappt?“
    „Wir hoffen mal. Unser größtes Problem ist der Vertrieb. Dafür braucht man wahnsinnig viel Geld. Im Moment finanziert mein Großvater das Abenteuer zu 75 %.“
    „Hoch lebe der Import-Export“, wirft Noah mit einem kleinen ironischen Lächeln ein.
    „Ich weiß. Mit etwas Glück werden wir im Laufe des nächsten Jahres unabhängig.“
    Zweite Unterbrechung: Es klopft an der Tür. Arizna verdreht die Augen – sie hat offensichtlich den ganzen Tag über die Tür geöffnet und ist ans Telefon gegangen. Sie macht mit einem Seufzer auf. Ein unterwürfiger Page in strammer Haltung reicht ihr ein „dringendes Fax“. Sie gibt ihm ein Trinkgeld und schließt die Tür, während sie zerstreut das Papier liest. Dann wirft sie es auf den Tisch und setzt sich wieder Noah gegenüber, reibt sich die Augenlider.
    „Und du, was machst du so? Immer noch deinen Magister?“
    „Im Prinzip ja.“
    „Na, das klingt nun nicht sehr begeistert.“
    „Meine Projekte gehen zur Zeit alle den Bach runter.“
    „Wolltest du nicht über Mülldeponien schreiben?“
    „Ja, aber man hat mir gesagt, das Zulassungskomitee würde so ein Projekt ablehnen, also habe ich mich bereit erklärt, etwas über indianische Vorgeschichte zu machen. Ergebnis: Ich habe gerade vier entsetzlich langweilige Monate Steinchenbuddeln und Flechtenschaben an der Basse-Côte-Nord hinter mir. Und außerdem sitzt der Betreuer meiner Magisterarbeit seit ich wieder zurück bin im Gefängnis.“
    „Ach so?“, fragt sie mit plötzlich aufkommendem Interesse in der Stimme. „Im Gefängnis?“
    „Er hat auf der Müllkippe Miron eine Demonstration mit seinen Studenten organisiert. Sie wollten die Müllabfuhren am Ausladen hindern. Daraus wurde ein Tumult und am Ende hat die Polizei alle eingesackt . . .“
    Er hat noch nicht ganz ausgesprochen, da stürzt

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