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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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sechsten Symphonie sind nie ans Licht gekommen, und man sagt, er habe sie zerstört. Doch Brahms war ein ganz anderer Mensch als Beethoven. Der war das Selbstvertrauen in Person. Wenn Beethoven die Zehnte vollendet hat, wie ich es annehme, wird er sie ganz sicher nicht zerstört haben.«
    »Was ist dann mit ihr geschehen? Weshalb ist sie niemals gefunden worden?«
    »Es ist und bleibt ein Rätsel. Von Monteverdi zum Beispiel sind auch viele Opern einfach verschwunden: Die Truppen des österreichischen Kaisers haben Mantua, wo der Komponist Musikdirektor war, schrecklich geplündert. Auch von Bach sind einige Werke verschollen. Der hatte unzählige Kinder, von denen einige die von ihrem Vater geerbten Partituren verscherbelten. Doch im Fall Beethovens kann ich mir den Verlust des Manuskripts nicht erklären.«
    Alicia l ächelte ein wenig über Daniels gequälten Gesichtsausdruck. »Das Beste wird sein, sich nicht verrückt zu machen. Wenn es auftauchen soll, wird es auftauchen. Und nun mal im Ernst: Wann kommst du nach Grenoble? Ich möchte dich einer Schweizer Freundin von mir vorstellen, Marie-Christine. Sie ist Malerin in ihrer Freizeit, und ich sitze ihr in ihrem Studio Porträt. Ich hab viel von dir erzählt, und sie brennt darauf, dich kennenzulernen. In vierzehn Tagen ist ein langes Wochenende. Wenn du ein Flugticket für Freitagmorgen ergattern kannst ...« »Werden wir das Kind nun bekommen oder nicht?«, unterbrach Daniel sie abrupt. »Was hat das eine mit dem anderen zu tun?« »Nichts. Aber ich halte es für wichtiger, das zu klären, bevor wir darüber sprechen, wann wir uns das nächste Mal sehen.«
    »Was willst du damit sagen? Dass du mich nicht mehr besuchen wirst, wenn ich finde, dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt für ein Kind ist?«
    »Alicia, du bist noch gar nicht weg, aber du verplanst mich jetzt schon mit einer Reise nach Grenoble?«
    Daniels Worte waren f ür Alicia wie ein Schlag ins Gesicht.
    »Ich dich verplanen? Habe ich dich jemals verplant?« »Na ja, gerade versuchst du es. Ausgerechnet jetzt, wo ich mitten in der Aufklärung eines Verbrechens stecke.« Wütend knallte Alicia ihr Besteck auf den Tisch und sprang auf. Das ganze Restaurant verstummte plötzlich. Alle erwarteten gespannt den Ausgang der Szene, die ihre Aufmerksamkeit schon eine ganze Weile fesselte. »Wohin gehst du?«
    »Wohin ich gehe? Ich sag dir, wohin du gehst: zum Teufel!«
    Mit diesen Worten st ürmte sie wie eine Furie aus dem Lokal und ließ Daniel allein - den Blicken und dem Getuschel der anderen Gäste ausgeliefert.

20
    Die Bonapartes, die im selben Hotel wohnten wie Sophie Luciani, klopften an deren Zimmert ür, obgleich am Türknauf ein Bitte nicht STÖREN-Schild hing. Als keine Reaktion kam, sagte die Prinzessin zu ihrem Mann: »Sie antwortet nicht. Ihr wird doch nichts passiert sein?« »Doch. Ihr Vater wurde ermordet.«
    »Werd nicht sarkastisch, das ertrage ich nicht«, wies ihn seine Frau zurecht.
    Die Prinzessin klopfte noch einige Male mit den Kn öcheln an die Tür, doch da sich weiterhin niemand meldete, schlug Bonaparte vor: »Lass sie deine Stimme hören. Wenn du bloß an die Tür hämmerst, denkt sie wahrscheinlich, es sei der Zimmerservice.« »Sophie! Sophie!«, rief die Prinzessin. Es vergingen ein paar Sekunden, bis die Tür einen Spaltbreit geöffnet wurde.
    Als die Bonapartes sie ganz aufstie ßen, blickten sie in ein halbdunkles Zimmer. Sophie war sofort in ihr Bett zurückgekehrt und lag dort reglos, die Augen geschlossen, völlig niedergeschmettert von dem Schmerz über den gerade erlittenen Verlust.
    »Sophie, wir gehen essen«, sagte die Prinzessin. »Kommst du mit?« Sophie Luciani schüttelte schwach den Kopf.
    Die Prinzessin fragte: »Kann ich das Licht anmachen?« Ohne die Augen zu öffnen, streckte Sophie selbst die Hand nach der Lampe auf ihrem Nachttisch aus und schaltete sie an. Der im Zimmer herrschenden Unordnung nach zu urteilen, war es schon seit ein paar Tagen nicht mehr gereinigt worden.
    »Es wäre gut für dich, mal rauszukommen, Sophie«, mischte sich der Prinz ein. »Du hast dich lange genug hier eingeschlossen. Seit man dich dieser Tortur unterzogen hat, den Kopf deines Vaters anzuschauen, hast du dich nicht bewegt.«
    »Es geht mir gut«, versicherte Thomas' Tochter. »Geht ihr nur, ich habe keine Lust.«
    Die Prinzessin setzte sich neben Sophie auf das Bett und strich ihr sacht über den Kopf.
    Endlich öffnete Sophie die Augen. Sie waren rot und

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