Die 10. Symphonie
auf, Geschichten über Beethoven zu erzählen. Er war ein ausgezeichneter raconteur.« »Er hat uns alle auf die Schippe genommen«, ergänzte die Prinzessin. »Aber im positiven Sinne. Er klang oft spöt tisch, jedoch nie verletzend oder herablassend. Der Witz, oder die Ironie, wenn Sie so wollen, war seine Art, Zuneigung zu zeigen. Und da mein Mann ein gro ßer Musikliebhaber ist, haben die beiden sich von Anfang an gut verstanden.«
»Warten Sie mal«, unterbrach Mateos und zog leicht die Augenbraue hoch. »Das überrascht mich: ein Bonaparte, der Musik mag?«
»Was das angeht, komme ich nach Jeróme, nicht nach Napoleon. Ich liebe Musik seit jeher.«
»Das kann ich bezeugen«, bekräftigte die Prinzessin. »Mein Mann war es, der mir vorschlug, ein kleines gesundheitliches Problem, das ich vor einiger Zeit hatte, mit Hilfe von Musiktherapie zu lösen.«
»Meine Frau litt unter Schlaflosigkeit«, erklärte Bonaparte, der nicht wissen konnte, dass Mateos durch Delorme bereits mehr als auf dem Laufenden war. »Wir hatten schon verschiedenste Behandlungsmethoden ausprobiert, alle erfolglos. Da fiel mir Bach ein mit seinen Goldberg-Variationen. Sie kennen die Geschichte wahrscheinlich.« »Ist schon länger her ...«, log Mateos, um gebildet zu erscheinen. »Ich fürchte, ich habe sie nicht mehr präsent.« »Es heißt, ein reicher Berliner Aristokrat, Graf Keyserling, der unter schwerer Schlaflosigkeit litt, habe Bach damit beauftragt, ein Stück für Cembalo zu schreiben, das ihm sein Hofcembalist Goldberg nachts vorspielen konnte. Bach soll daraufhin die Goldberg-Variationen komponiert haben. Hier in Spanien hat meines Wissens der Kastrat Farinelli für Philipp V. gesungen, wenn der keinen Schlaf fand.«
»Stimmt, das habe ich auch schon einmal gehört«, log der Inspector erneut.
»Als ich erfuhr, dass es eine Musiktherapieklinik in Ajaccio gibt, erzählte ich dies meiner Frau. Ich musste sie im wahrsten Sinne des Wortes dorthin schleppen, doch ich glaube, das war die beste Entscheidung seit Jahren. Hab ich nicht recht, cherie?«
Die Prinzessin antwortete nicht darauf. Sie hatte feuchte Augen, schien den Tr änen nah zu sein. Die Erinnerung an diese schwierige Zeit in ihrem Leben wühlte sie sichtlich auf.
»Señor Bonaparte, Sie sagten, Thomas habe während des Essens über Beethoven geredet. Er hat dabei nicht zufällig irgendein Manuskript erwähnt, oder?« »Nein. Er sprach davon, dass er den größten Teil der Musik selbst komponieren müsse, weil er sehr wenig Ausgangsmaterial für die Rekonstruktion vorgefunden habe.« »Hat er sich dazu geäußert, ob er zufrieden war mit dem, was er bis dahin geschafft hatte?«
»Er sagte ein paarmal so etwas wie Beethoven möge mir verzeihen ; er gab gern zu, dass sein Talent niemals an die Größe dieses Genies heranreichen würde - egal wie sehr er sich auch anstrengte.«
»Sophies Vater schien sich dafür auf sehr vielen Gebieten auszukennen«, ergänzte die Prinzessin. »Als mein Mann zum tausendsten Mal seine Theorie über Napoleons Vergiftung zum Besten gab, sagte Thomas, er habe seine eigene Mutmaßung darüber. Er hatte sich eingehend mit den Giften aus jener Zeit beschäftigt. Ihm zufolge sind sowohl Beethoven als auch Napoleon an einer Vergiftung gestorben. Napoleons Vergiftung soll jedoch eine Art Unfall gewesen sein.«
Mit einem H öllenlärm krachte in diesem Moment ein mit Gläsern voll beladenes Tablett auf den Boden und zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Es klang, als w äre der gesamte zweite Stock des Eiffelturms samt Restaurant aus seiner Höhe von 125 Metern aufs Marsfeld gestürzt. Niemand eilte herbei, um den Kellner für dieses Missgeschick zu maßregeln. Anscheinend gab es außer ihm keine Angestellten in diesem Hotel. Dies war der Moment, in dem Mateos entschied, das Petit Carlton von seiner Liste der Hotels für zukünftige Liebesabenteuer zu streichen. Nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatten, kam Mateos darauf zurück, was Thomas über Beethoven gesagt hatte.
»Sie sprachen gerade über die Vergiftungen.« »Sophies Vater«, sagte die Prinzessin, »erklärte uns, dass Arsen, das im 19. Jahrhundert in Kombination mit anderen Substanzen verwendet wurde, um Tapeten zu färben, in dem extrem feuchten Klima von St. Helena vielleicht dem Papier entwichen war und die Luft in dem Haus vergiftet hatte, wo der Kaiser lebte.« »Und Beethoven?«
»Laut Señor Thomas wurde Beethoven von Salieri vergiftet. Wissen Sie, wer das
Weitere Kostenlose Bücher