Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
1944 waren ein Viertel der im Deutschen Reich beschäftigten Menschen «Fremdarbeiter», davon knapp 6 Millionen zivile Zwangsarbeiter und knapp 2 Millionen Kriegsgefangene. Um die «neue» Ausländerbeschäftigung seit den 1950er Jahren von der jüngeren Vergangenheit abzugrenzen, wurde in der Bundesrepublik – im Gegensatz etwa zur Schweiz – nicht mehr der Begriff «Fremd-», sondern statt dessen der beschönigende Begriff «Gastarbeiter» benutzt. Die traditionellen Arbeitsmigrationsbeziehungen der deutschen Wirtschaft gerieten dadurch in Vergessenheit.
Der Begriff «Gastarbeiter» beinhaltet darüber hinaus ein bestimmtes Prinzip der Ausländerbeschäftigung: die Rotation. Erwünscht war, dass der ausländische Arbeitnehmer nach einer gewissen, etwa drei Jahre dauernden Zeit, wieder in sein Heimatland zurückkehrt und durch einen neuen, «frischen» und motivierten «Gastarbeiter» ersetzt wird. Diese Vorstellung herrschte keineswegs allein in politischen Kreisen der Zielländer, sondern auch unter den einzelnen «Gastarbeitern» selber vor, die zunächst in kurzer Zeit viel Geld verdienen und dieses in der Heimat wieder neu investieren wollten. Als diese Sparziele nicht erreicht werden konnten und als zudem die deutschen Unternehmen wünschten, die gut eingearbeiteten Arbeitskräfte nicht gleich wieder zu verlieren, blieb die Rotation auf der Strecke. Die verbesserte Rechtsstellung hinsichtlich der Aufenthaltsansprüche wirkte in die gleiche Richtung. Vor allem in den 1970er Jahren geriet der Begriff Gastarbeiter als Euphemismus unter starke Kritik. So startete beispielsweise der WDR 1972 ein Preisausschreiben, bei dem ein passender Alternativbegriff gesucht wurde. 32.000 mehr oder weniger skurrile Vorschläge gingen daraufhin ein, z.B. «Boombändiger», «Engpasshelfer», «Kumpelino» oder, völlig «abgedreht», «sonnengereifter Produktionsverstärker». Die Abgrenzung zur Begrifflichkeit der Nationalsozialisten gelang übrigens nicht ganz: Bereits 1941 hatte es im Reichsarbeitsblatt Überlegungen zu einer europäischen Nachkriegsökonomie gegeben, in denen von «Gastarbeitnehmern» die Rede war, die aus Kontinentaleuropa nach Deutschland zur Arbeit herangezogen werden sollten.
92. Wer war erfolgreicher, der Käfer oder der Golf? Deutschland ist die Wiege der Weltreligion Auto, und unter den Propheten dieser Religion stechen zwei heraus: der Käfer und der Golf. Vom Volkswagen-Konzernwurde der Käfer von 1938 bis 2003 gebaut, der Golf wird seit 1974 produziert.
Dass die Ursprünge des Käfers im Nationalsozialismus lagen und die Führung des «Dritten Reiches» einen «Volkswagen» für die «Volksgemeinschaft» fabrizieren wollte, wird heute oft vergessen. Tatsächlich startete die Serienproduktion erst nach 1945, und mit dem Export in die USA und viele andere Länder der Welt stieg der VW-Käfer zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders und der Massenmotorisierung auf. Am 5. August 1955 verließ der millionste Käfer die Fabrik in Wolfsburg. Nach Deutschland waren die USA der wichtigste VW-Markt. Dort reüssierte der Käfer als Gegenkultur zu den Straßenkreuzern. Er war erschwinglich, robust und «knuffig». Der «Beetle» feierte in den 1960er Jahren ferner als Filmstar Erfolge, was seinen Kultstatus noch erhöhte. In sechs Filmen rührte «Herbie», der «tolle Käfer» mit den menschlichen Eigenschaften, die Herzen der Zuschauer; er kämpfte gegen Bösewichte und führte Liebende zusammen. Darüber hinaus ist der Käfer eines der wenigen Industrieprodukte, das Künstler verschiedener Sparten zur Ver- und Bearbeitung inspirierte. In besonderer Weise trifft dies für die Werbung zu. Eine New Yorker Werbeagentur entwarf seit 1959 mittlerweile legendäre Slogans, darunter «Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann» – zu sehen war ein Ei mit den aufgemalten Konturen des Käfers – oder, der bekannteste, «Er läuft und läuft und läuft».
Am 1. Juli 1974 lief der letzte Käfer aus Wolfsburg vom Band, anschließend wurde die Produktion nach Mexiko verlagert, bis man sie 2003 endgültig einstellte. 1985 endete der Verkauf des Käfers in Europa, was so manchen Fan traurig stimmte und privaten Importeuren ein gutes Geschäft bescherte. Volkswagen reagierte Mitte der 1990er Jahre darauf und versuchte, den Mythos wiederzubeleben, indem der Konzern das Modell «New Beetle», das stark an den ursprünglichen Käfer erinnerte, im mexikanischen Puebla herstellen ließ. Dieser lief jedoch mit
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