Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
Nationalsozialist_innen, die mitverantwortlich für diesen Genozid waren, ihre Karrieren nach 1945 in der Bundesrepublik fortsetzen, auch die Institutionen und die dort angehäuften Materialien sind in die neuen Institutionen, zum Teil nur unter Änderung des Namens, überführt worden. Zum anderen blieb der ziganistische Rassismus über das Jahr 1945 hinaus ungebrochen bestehen.
Sinti und Roma ist nicht nur lange Zeit der Status als «aus rassistischen Gründen» Verfolgten vorenthalten worden. Vielmehr wurde behauptet, sie seien «nur» als «Asoziale, Arbeitsunwillige, Nichtsesshafte» verfolgt worden, weil sich der «deutsche Volkskörper» vor ihnen zu schützen suchte. Außerdem seien sie «bekanntlich» aus «kriminalpräventiven Gründen und Gründen der Spionageabwehr» verfolgt worden. Der ziganistische Rassismus der Nationalsozialist_innen setzte sich also fort: nicht die einzelne Person, sondern eineganze Gruppe, die zur «Rasse» erklärt wurde, stand unter einem Generalverdacht. So hieß es noch 1956 in einem Urteil des Bundesgerichtshofes zur Frage der Anerkennung als NS-Opfer: «Die Zi. neigen zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien. Es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe zur Achtung vor fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.» Diese Verleugnungsrhetorik gipfelte in der Weigerung, zwangssterilisierten Sinti und Roma einen Anspruch auf Entschädigung zuzusprechen. Sie seien nicht aus «rassischen Gründen» sterilisiert worden, sondern auf der Grundlage des «Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses» (1933) – die ihnen zugewiesene «Rasse» galt als «latent schwachsinnig».
Erst 1963 ist ihnen durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs zugestanden worden, dass sie von 1938 bis 1945 «auch» aus «rassischen Gründen» verfolgt worden sind. Noch Ende der 1970er Jahre waren Mediziner und Anthropologen in einflussreichen Positionen, die bereits in den 1930er und 1940er Jahren an grausamen nationalsozialistischen Menschenversuchen im Rahmen der so genannten «Zi.forschung» beteiligt waren.
Dem Porajmos fielen zwischen 100.000 und 500.000 Sinti und Roma aus Europa zum Opfer. Viele kamen durch Hunger und Krankheiten ums Leben, etliche andere sind bei Massenerschießungen hingerichtet oder in Vernichtungslagern vergast worden. Wie die Jüd_innen mussten sie in der Öffentlichkeit gekennzeichnet sein. Die Diskriminierung und Verfolgung der Sinti und Roma geschah nicht an der Öffentlichkeit vorbei – sie war sogar Teil der NS-Propaganda.
1992 ist beschlossen worden, ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin zu errichten. Nach jahrelangen Debatten über die konkrete Gestaltung steht es kurz vor der Einweihung.
50. Was war Apartheid? Mit Apartheid wird eine diktatorische Herrschaftsform bezeichnet, deren Grundlage eine strikte und gesetzlich verordnete «Rassentrennung» bildet. Das Afrikaans-Wort bedeutet
Getrenntheit.
Historisch wird mit Apartheid im engeren Sinne das politische Regime in Südafrika zwischen 1948 und 1994 bezeichnet. In einem weiteren Sinne sprechen Historiker_innen undPolitiker_innen auch von Apartheid für Südafrika vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1994.
Das südafrikanische Regime erließ ab 1948 tausende Gesetze, die eine tiefe Segregation von Staat und Gesellschaft zur Folge hatten und jährlich Hunderttausende Schwarze ins Gefängnis brachte – etliche von ihnen kamen dort ums Leben. Zehntausende starben bei Massakern und Protestversammlungen, in die die Polizei wahllos hineinschoss. Das Regime betrieb ein Foltersystem und zwang Schwarze, in speziell ausgewiesenen Gebieten zu leben. Keine Schwarze Familie in Südafrika hatte zwischen 1948 und dem Ende der Apartheid nicht Opfer dieser brutalen Politik aufzuweisen. Vor allem in den frühen sechziger und dann ab Mitte der siebziger Jahre gab es eine wirkungsvolle und mächtige Widerstandsbewegung gegen das Apartheid-Regime. Letztlich musste dieses unter dem steigenden Druck, aber auch aufgrund internationaler Isolation und erheblicher Wirtschaftsprobleme, 1990 verkünden, dass die Apartheid abgeschafft werde. Das geschah 1994.
Zur Geschichte der Apartheid – die hier nicht einmal stichpunktartig wiedergegeben werden kann – gehört auch, dass viele westliche Staaten und Firmen heimliche oder offene Förderer des Apartheid-Regimes waren. Die Bundesrepublik war einer der wichtigsten
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