Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
nicht etwa, sondern fachte sie erst richtig an. Selbender Sinngh hatte mich dazu veranlaßt, den Sport als Zuschauer zu genießen, der Troll aber reizte meinen Ehrgeiz, selbst in diesem Beruf aktiv zu werden. Ich träumte heimlich davon, ihn vor aller Augen zu entthronen.
Wir verpaßten auch weiterhin kein Lügenduell. Lord Nelloz hielt sich wacker und versammelte nach und nach eine wachsende Anhängerschar um sich. Nur ich blieb skeptisch. Sein ganzer Stil behagte mir nicht, seine anbiedernde Masche, sein ekliger Hang, dem Publikum zu gefallen. Er verbog sich in jede Richtung, die ihm geeignet schien, Applaus zu erheischen. Er riskierte nichts, sondern war nur darauf bedacht, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu treffen. Was ihm allerdings mit erstaunlicher Zielsicherheit gelang. Selbst Chemluth fand ihn gut.
»Ga. Ist lustig«, sagte er immer wieder, wenn ich anfing, an Lord Nelloz herumzumäkeln.
Als wir eines Abends das Megather verließen, fiel mein Blick auf ein Plakat.
He, Sie!
Ja, Sie! Haben Sie manchmal das Gefühl,
vom Leben übergangen zu werden?
Sind Sie es leid, bei mäßiger Bezahlung das Schicksal
eines Namenlosen in der Menge zu fristen ?
Würden sie gerne große Publikumsmengen bezaubern,
Unmengen von Pyras verdienen, der Liebling
des Volkes sein und in Applaus baden?
DANN WERDEN SIE LÜGENGLADIATOR!
Kinderleicht! Für jeden zu erlernen!
Nähere Informationen im ROSTIGEM VLIES,
Ilstatna Nr.20567!
Chemluth habe ich zunächst gar nichts erzählt von meinem Vorhaben, er hätte mich für größenwahnsinnig erklärt.
Erst als ich am nächsten Tag auf der Ilstatna unterwegs zum Rostigen Vlies war, kamen mir die ersten Bedenken. War ich überhaupt in der Lage, vor größerem Publikum zu wirken? Auf der Klabauterinsel hatte ich gewisse Befähigungen zum Unterhaltungstalent gezeigt, aber das hier war etwas völlig anderes. Ich zitterte wie Espenlaub vor Lampenfieber, als ich den Schankraum des Rostigen Vlieses betrat.
Es war eine düstere Kaschemme, viel schäbiger, als ich es mir vorgestellt hatte. Obwohl es noch früh am Morgen war, saßen schon etliche Zecher an den Tischen, meist Blutschinken, vernebelt von beißendem Zigarrenrauch. Das war das Aufnahmebüro für Lügengladiatoren? Vielleicht hatte ich mich in der Adresse geirrt oder war einem albernen Scherz aufgesessen. Ich wollte mich gerade umdrehen und verschwinden, als eine Stimme unangenehme Erinnerungen in mir weckte.
»Bei Wotans Mandeln, Wirt, wo bleibt das Bier?«
»Genau! Bei Wotans Mandeln!« meckerte eine andere Stimme hinterher.
Ich ging langsam durch den dichten Tabaknebel auf die Stimmen zu. Ich war jetzt nahe genug, um die Schattenrisse von drei zechenden Gestalten zu erkennen. »Zum Fafner!« brüllte eine davon. »Muß ich unangenehm werden?«
Ich wedelte kräftig mit der Hand, der Dunst teilte sich und gab den Blick frei auf einen betrunkenen Blutschink und zwei gute alte Bekannte.
Es waren Groot und Zille, und sie hatten sich nicht viel ver- ändert. Sie waren ein bißchen größer geworden, zumindest Groot, und der kurzsichtige Zille trug ein Augenglas, das ich gleich als Professor Nachtigallers Zyklopenbrille aus der Kammer der unausgereiften Patente wiedererkannte. Ich trat an den Tisch.
»Hallo, Groot! Hallo, Zille!«
Die beiden zuckten zusammen und griffen instinktiv unter den Tisch, vielleicht nach irgendwelchen Waffen, die sie dort verborgen hatten. Zille beugte sich vor, rückte seine Brille zurecht und blinzelte mich an.
»Blaubart«
»Blaubär?« wiederholte Groot seine Worte.
Sie schickten den Blutschink weg und luden mich auf ein Bier ein. Letzteres lehnte ich mit Hinweis auf die frühe Morgenstunde ab (worauf beide herzlich lachten und sich mit ihren Bechern zuprosteten), aber ich setzte mich, und wir plauderten ein bißchen über alte Zeiten und wie wir nach Atlantis gekommen waren.
»Mann, war ich froh, als die Zeit bei dem alten Uhu endlich vorbei war«, grölte Groot in der üblichen Lautstärke. Er sprach offensichtlich von Professor Nachtigaller.
»Ich habe nie ein Wort von dem verstanden, was er da verzapft hat. Totale Zeitverschwendung. Die Schule des Lebens - das ist es, was zählt.«
Er schwenkte sein Glas über die ganze Wirtshausbesatzung, und ein paar Blutschinken prosteten zurück. Die beiden waren hier anscheinend Stammgäste. Offensichtlich schien Nachtigallers Wissensübertragung durch Intelligenzbakterien nicht bei jedem zu funktionieren.
»Der Alte ist dann ziemlich
Weitere Kostenlose Bücher