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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Wald, der [Forts.]: Den Großteil seiner Flüssigkeit bezieht der Große Wald aus seinen mannigfachen unterirdischen Quellen, die das Erdreich durchädern. Es regnet ausgesprochen selten im Großen Wald, eigentlich nur anläßlich der raren Finsterberggewitter. Hat sich gerade ein Finsterberggewitter ereignet, darf man auf den nächsten Regen erst in Monaten, vielleicht Jahren rechnen.
    Diese Informationen konnten einem wirklich jede Hoffnung rauben. Mein Optimismus wich langsam realistischeren Überlegungen. Vielleicht hatte die Spinne das Netz schon vor langer Zeit errichtet und war gerade auf dem Weg, ihre Beute abzuholen. Womöglich lungerte sie schon die ganze Zeit im Gebüsch und weidete sich am Anblick ihres hilflosen Opfers.
    Was war das? Hatte es da nicht gerade im Gebüsch geraschelt?
    Nein, natürlich nicht, ich war nur auf dem besten Weg, vor Angst den Verstand zu verlieren. Es war nur der Wind, der ein paar Äste zauste.
    Da! Es raschelte schon wieder! Das war kein Wind, nur ein paar Blätter im gegenüberliegenden Gebüsch zappelten unnatürlich hin und her. Etwas Lebendiges! Was für ein Lebewesen konnte das schon sein, außer der Spinne und mir gab es keine anderen im Großen Wald.
    Es raschelte noch mal, stärker und anhaltender als vorher. Das Gebüsch teilte sich, und ein unglaublich häßliches und ekelerregendes Wesen kroch langsam auf mich zu. Es war keine Waldspinnenhexe. Es war der Stollentroll. »Kähähä!« kicherte er. »Ich mag zwar aussehen wie ein Stollentroll, aber laß dich davon nicht hinters Licht führen. In Wirklichkeit bin ich ein Förster. Der Oberförster vom Großen Wald. Natürlich inkognito. Daher die täuschend echte Stollentroll-Kostümierung. Ist das jetzt wenigstens annähernd überzeugend? Oder soll ich gleich zugeben, daß ich ein Stollentroll bin?«
    »Laß den Quatsch! Ich bin hier in einer äußerst unangenehmen Situation. Würdest du bitte ein bißchen Wasser ...«
    »Moment mal«, unterbrach mich der Troll und lümmelte sich gemütlich ins Gras. »Wie bist du überhaupt da reingeraten? Ich meine, man muß schon ziemlich dämlich sein, in einem von diesen Dingern hängenzubleiben. Ich hab' sie überall im Wald gesehen, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, eins davon zu umarmen. Sieht aus wie ein riesiges Spinnennetz, igitt. Da macht man doch einen weiten Bogen rum, wenn man noch alle Tassen im Schrank hat.«
    »Das ist eine längere Geschichte.«
    »Ich höre.«
    »Äh, diese Flüssigkeit hier gaukelt einem vor, daß da anstelle des Netzes das Schönste ist, was man sich vorstellen kann ... Man wird regelrecht hypnotisiert und, äh ... ist jetzt sehr umständlich zu erklären ... Wieso reagierst du eigentlich nicht darauf?«
    Der Stollentroll schnupperte ein wenig und zuckte dann mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht, weil ich mir gar nichts Schönes vorstellen kann. Nur ganz fiese, gemeine Sachen. Kähä!«
    »Ist ja jetzt auch egal. Würdest du bitte so liebenswürdig sein, da vorne etwas Wasser aus dem Bach zu schöpfen und hier über meine Hände zu schütten? Das ist das einzige Mittel, loszukommen.«
    »Ist das alles? Wasser aus dem Bach da?«
    »Genau. Ich wäre dir sehr dankbar.«
    »Schon gut!« winkte der Gnom ab und watschelte zum Bach. Er kniete sich hin, nahm mit beiden Händen etwas Wasser auf und trug es sorgfältig, wie ein Kellner ein Tablett voller Champagnergläser, zu mir her.
    Kurz vor dem Spinnennetz blieb er stehen.
    »Was ist?« rief ich ungeduldig. »Mach schon!«
    »Jetzt hätte ich um ein Haar vergessen, daß ich ein Stollentroll bin! Ich benehme mich ja wie ein Pfadfinder!«
    »Na, macht doch nichts!« versuchte ich so lässig wie möglich zu reagieren, denn ich ahnte schon, wohin die Sache laufen könnte. »Einfach her mit dem Zeug.«
    Der Troll ließ das Wasser langsam zwischen seinen Händen in das Gras laufen. »Puh!« atmete er aus. »Das ist ja gerade noch mal gutgegangen. Beinahe hätte ich eine gute Tat begangen.« Er wischte sich mit dem Handrücken imaginären Schweiß von der Stirn.
    »He! Würdest du jetzt bitte neues Wasser holen und mich endlich befreien? Diese Spinne kann jeden Moment hier aufkreuzen, das ist kein Spaß.«
    »Ich mache keinen Spaß. Ich bin ein Stollentroll. Hast du unser kleines Abenteuer in den Bergen schon vergessen?« »Nein, das habe ich nicht vergessen. Aber ich verzeihe dir! Jemanden ein bißchen in die Irre zu führen, das ist etwas anderes, als jemanden einer Riesenspinne zum Fraß

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