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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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zusammenphantasiert. Aber trotzdem: Ich hatte nicht vor, den Gimpeln ihre Träume zu rauben. Anagrom Ataf war das einzige, was sie noch in Bewegung hielt.
    Die Gimpel wanderten am Tag und schliefen in der Nacht, was ich persönlich für unvernünftig hielt, denn in den relativ kühlen Nächten wäre man wesentlich müheloser vorangekommen als in der sengenden Hitze des Tages. Der Wasserverbrauch wäre geringer gewesen, und auch die Orientierung fiele leichter, da es über der Süßen Wüste so gut wie nie Wolken gab und immer ein klarer Sternenhimmel herrschte. Auch für Beleuchtung war gesorgt, bei vollem Mond reflektierte der Sandboden das Licht sehr stark.
    Aber die Gimpel fürchteten die Nacht in einer Art, die mich an die Zwergpiraten erinnerte. Wenn der Abend dämmerte, suchte man sich eine Schlafstelle, die sich in der Nähe eines Wasserreservoirs befand. Es war immer ein großes Vergnü- gen, die Gimpel beim Ausfindigmachen von unterirdischen Wasserreservoirs zu beobachten. Sie aßen dazu vorher Unmengen von Gimp, um sich für die Quellenströmungen zu sensibilisieren. Dann torkelten sie in der Dämmerung durch die Wüste, mit ausgebreiteten Armen, wie betrunkene Albatrosse. Fing ein Gimpel an, sich auf der Stelle zu drehen und zu brummen wie ein Kreisel, hatte er eine Wasserader gefunden. Die anderen mußten ihm dann zu Hilfe eilen, denn aüeine konnte er nicht mehr aufhören zu rotieren. Manche Gimpel, die den Fehler gemacht hatten, sich bei der Wassersuche zu weit von der Gruppe zu entfernen, hatten sich schon stundenlang im Kreis gedreht, bevor man sie fand. Ihnen war dann oft noch tagelang schwindlig, und man muß- te aufpassen, daß sie nicht dauernd vom Kamedar fielen.
    War die Wasserquelle provisorisch angebohrt, entzündete man mächtige Lagerfeuer aus getrocknetem Kamedardung und ließ sich nieder zu Gesprächen und Musik. Diese Unterhaltungen waren voll von Ammenmärchen über Bedrohungen, die aus der Nacht erwachsen. Die harmlosesten waren noch die über die Zuckerzwerge (auch darüber später mehr), andere waren wesentlich beängstigender und blutrünstiger. Es gab etwa die Sage von den Dunklen Männern, die aus Nacht bestanden, mit Sternen als Augen, welche ahnungslose Gimpel, die bei Dunkelheit marschierten, in den Himmel holten und dann wieder zur Erde schleuderten, wobei die Gimpel zu Kometen verbrannten. Sie raunten von riesigen Schlangen, die im Dunkeln aussehen wie Wanderdünen und ganze Karawanen auf einen Satz verschlucken können. Es gab die Mär vom Schlafsand, der tagsüber schlief und in der Abenddämmerung erwachte und sich in tückischen Treibsand verwandelte. Sie kannten Geschichten über Wind-, Sand- und Kakteengeister, die in der Finsternis ihr Unwesen trieben, über unsichtbare Erdspalten, tödliche Skorpione, Wüstendämonen und Sandpiraten. Jedenfalls schufen diese Märchen Anlaß genug, die nächtliche Wanderung zu meiden und jeden Abend einen Kreis von Feuern um die Karawane zu entfachen und im Schütze der Flammen und des Stammes die Nacht zu verbringen.
    Ich kann nicht behaupten, daß mir diese Geschichten das Einschlafen erleichterten. Eines Abends lag ich noch länger als gewöhnlich wach. Als hätte ich nicht schon genug Probleme, auf dem harten Wüstenboden zu schlafen, hörte ich in der Dunkelheit auch noch die seltsamsten Geräusche.
    Sandkojoten heulten und umkreisten mit rotglühenden Augen das Lager, Klapperschlangen rasselten mit ihren Schwanzenden, monströse Grillen zirpten zu Tausenden, überall knackte und raschelte und knisterte es im Sand, denn in der Nacht erwachte die Wüste zu einem Leben, das sich tagsüber verborgen hielt. Eine siebenschwänzige Skorpionhydra tanzte im Kreis um sich selbst, anscheinend immer noch im Takt der längst verstummten Musik.
    Staubfalter flatterten um die Lagerfeuer, alle möglichen Sorten von Insekten krochen aus dem Geröll und suchten neugierig die Nähe der Flammen. Hochbeinige Spinnen stolperten über die Steine, Ohrkneifer und Giftechsen stritten sich um die ersten Ränge an der Glut.
    Die Gimpel machten sich daraus wenig. Sie hatten sich eng in ihre Stoffbahnen einmumifiziert und schnarchten selig vor sich hin, während ich nervös das Kleintiertreiben auf dem Wüstenboden im Auge behielt. Eine vielfarbige Regenbogennatter schlängelte aufdringlich in meine Nähe, ich schlug mit einem Stock nach ihr und vertrieb sie in Richtung Lagerfeuer. Eine dicke Tarantel torkelte nachtblind um mich herum, auch sie verscheuchte

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