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Die 13. Stunde

Titel: Die 13. Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Fluggesellschaft oder das Nationale Amt für Transportsicherheit anrufen und erklären, er habe eine Vorahnung. Nick hatte eine anonyme Bombenwarnung in Betracht gezogen, die Idee aber verworfen, weil er viel, viel mehr tun musste, um den Flugzeugabsturz zu verhindern und Julias Leben mit Sicherheit zu retten. Er musste den Einbruch von vornherein unterbinden.
    Nick war sich bewusst, dass jede seiner Aktionen Folgen hatte, wobei es keine Rolle spielte, wie edel seine Beweggründe sein mochten. Er hatte es in Marcus’ Tod gesehen, in McManus’ Tod, in Shannons Ermordung und darin, dass Julia letztendlich doch in der Unglücksmaschine saß. Jeder Augenblick, der verändert wurde, schlug Wellen durch die Zeit und hatte unzählige Auswirkungen verschiedenster Art.
    Wenn Nick etwas Falsches tat oder die falsche Entscheidung traf, wirkte es sich in die Zukunft hinein aus, und statt den Flugzeugabsturz zu verhindern, verschlimmerte Nicks Fehler die Tragödie des Absturzes von Flug 502 am Ende noch, indem er möglicherweise zur Folge hatte, dass die Maschine nicht auf das freie Stadiongelände stürzte, sondern mitten ins Stadtgebiet von Byram Hills oder ins Ferienlager der Kinder.
    Wer konnte sagen, dass sich das Schicksal überhaupt umkehren ließ? War es Julia bestimmt, heute zu sterben, ganz gleich, auf welche Weise – ob nun durch eine Kugel, einen Flugzeugabsturz oder sonst wie? Waren die Passagiere an Bord von Flug 502 dazu verurteilt, unausweichlich bei einem Flugzeugunglück den Tod zu finden, egal welche Anstrengungen Nick unternahm, um die Cessna 400 am Start zu hindern?
    Entschlossen schüttelte er die pessimistischen Gedanken ab und fand zur Hoffnung zurück, mit der man Furcht vertreiben, Zweifel beseitigen und selbst in der ausweglosesten Situation Zuversicht finden konnte. Hier war er nun, war auf unerklärliche Weise durch den Tag zurückmarschiert, zu dieser letzten Stunde, die sich für ihn wiederholte, zu seiner letzten Chance, Julia das Leben zu retten …
    Und mit Hoffnung im Herzen konzentrierte sich Nick und überlegte, was das Besondere war, das für alle die Zukunft ändern würde: für Julia, Marcus, Shannon, Dreyfus, McManus und ihn selbst. Nick wusste nicht, was es war, doch er wusste, dass er es finden würde, ehe die Stunde verstrichen war.
    Er zog sein Handy hervor und versuchte, Julia zu erreichen. Zum zweiten Mal wurde er an die Mailbox weitergeleitet.
    »Julia«, sagte er, »ich bin’s. Tu mir einen Riesengefallen. Nimm nicht das Flugzeug nach Boston! Mir ist egal, wohin du willst und ob du gefeuert wirst, aber steig nicht in die Maschine. Ich habe ein schreckliches Gefühl … ich kann es nicht erklären. Tu bitte, was ich sage. Ruf mich an, sobald du diese Nachricht gehört hast.«
    Nick trennte die Verbindung und schaute zu der Cessna 400 hinüber. Die weiße Maschine stand in einer langen Reihe aus kleinen Jets und Propellerflugzeugen. Ihre schlanken Linien und das nach hinten geschrägte Kanzeldach erweckte den Eindruck eines von Menschenhand geschaffenen Raubvogels.
    Gleich hinter dem kleinen Flugzeug stand der blaue Chevy Impala mit offenem Kofferraum. Paul Dreyfus nahm seinen Aktenkoffer und eine kleine Reisetasche heraus und stellte sie auf den Boden. Er trug eine graue Hose und ein Hemd mit blauer Krawatte. Sein Sportsakko hing in der offenen Tür des Wagens. Das graue Haar hatte er zurückgekämmt, als wollte er zum Sonntagsgottesdienst.
    Nick beobachtete ihn, wie er mehrere Minuten um sein Flugzeug herumging und dabei in sein Handy sprach. Dann kam ein dunkelgrüner, glänzend polierter BMW die einspurige Zufahrt entlang. Der Wagen überquerte den fast leeren Parkplatz und hielt am anderen Ende direkt vor Dreyfus.
    Ein Mann in einem gestärkten blauen Hemd und gebügelter Hose stieg aus dem Wagen und begrüßte Dreyfus herzlich, indem er ihm mit beiden Händen die Hand schüttelte. Der Mann wirkte gebildet und würdevoll. Er sah aus wie Ende fünfzig, doch seine kräftigen Schultern und die schmalen Hüften bezeugten, dass er topfit war, und sein volles dunkles Haar zeigte nur an den Schläfen einen Hauch von Grau.
    Die beiden Männer begannen ein lebhaftes Gespräch, begleitet von Gesten und Kopfnicken, bis der Neuankömmling schließlich den Kofferraum öffnete. Dreyfus kauerte sich nieder und klappte die schwarze Reisetasche aus. Mit einiger Anstrengung hob er etwas heraus, trug es zum BMW, legte es in den Kofferraum und schloss den Deckel.
    Nick wurde es kalt ums Herz.

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