Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Edelleuten, sondern auch mit Händlern aus Burgstadt. In der Stadt wurden die uralten Handelswege mit den Äußeren Inseln wiederbelebt. Kauffahrer liefen in den Hafen ein, und Waren wurden gehandelt. Auch Nachrichten gingen hin und her, und es galt nicht länger als gesellschaftlich inakzeptabel, einen Vetter auf den Äußeren Inseln zu haben. Kettrickens Pläne schienen aufzugehen.
    Vor allem des Nachts vergnügte sich der Adel in der Burg auf eine Art und Weise, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Als Diener war ich nahezu unsichtbar, fast wie damals, als ich noch ein kleiner, namenloser Junge gewesen war. Der Unterschied war nur, dass ich Fürst Leuenfarb als Leibdiener bei allem begleitete, was die Gesellschaft bot, sei es nun Spielen, Essen oder Tanzen. Ich sah die Adeligen in ihren besten Kleidern und mit ihrem schlechtesten Benehmen. Trunken von Wein oder benebelt vom Glimmkraut, besessen von ihrer Lust oder fanatisch bestrebt, Spielverluste wieder wettzumachen … Sollte ich jemals geglaubt haben, unsere Lords und Ladies seien aus edlerem Stoff gemacht als die Fischer und Tischler in den Tavernen von Burgstadt, so verlor ich in jenem Winter meine Illusionen.
    Frauen, jung und alt, unvermählt oder verheiratet, scharten sich um den charmanten Fürst Leuenfarb, ebenso wie junge Männer, die erpicht darauf waren, sich als ›Freund des jamailianischen Fürsten‹ hervorzutun. Es amüsierte mich ein wenig, dass noch nicht einmal Merle oder Lord Fisher gegen Fürst Leuenfarbs gesellschaftlichen Charme immun waren. Oft gesellten sie sich zu ihm an den Spieltisch. Zweimal kamen sie sogar in Fürst Leuenfarbs Gemächer, um sich mit den anderen Gästen an jamailianischem Weinbrand zu erfreuen. Es fiel mir schwer, mich in Merles Gegenwart unterwürfig und desinteressiert zu geben. Ihr Gemahl war ein körperlich anziehender Mann, der sie oft an sich heranzog und wie ein kleiner Junge einen Kuss von ihr stahl. Merle tadelte ihn dann jedes Mal scherzhaft ob seines Verhaltens in der Öffentlichkeit, und oft warf sie mir dabei einen Blick zu, als wolle sie auch ja sicherstellen, dass ich sah, wie leidenschaftlich sich ihr Mann um sie bemühte. Bisweilen musste ich förmlich darum kämpfen, einen stoischen Gesichtsausdruck zu bewahren. Es war nicht so, als würden sich mein Herz oder mein Fleisch nach ihr sehnen. Der Schmerz, der mich in solchen Augenblicken überkam, rührte mehr daher, dass sie ihr Glück absichtlich zur Schau stellte, um mich daran zu erinnern, was für ein einsames Leben ich führte. Inmitten dieses fröhlichen Hofstaats mit seinen ausgefeilten Unterhaltungen stand ich einfach nur da, ein stummer Diener, der ihren Vergnügungen nur zusehen konnte.
    Auf diese Art nahm der lange, dunkle Winter seinen Lauf. Das geschäftige Treiben forderte sowohl vom Prinzen als auch von mir seinen Tribut. Eines frühen Morgens kamen wir beide in den Turm, ohne auch nur die geringste Lust auf irgendwelche Studien oder Übungen zu verspüren. Der Prinz war in der Nacht zuvor lange aufgeblieben und hatte mit Gentil und den anderen jüngeren Adeligen gespielt, die sich gerade in der Burg aufhielten.
    Ich wiederum hatte genug Verstand besessen, mich zu einer vernünftigeren Zeit ins Bett zu begeben, und tatsächlich hatte ich mehrere Stunden tief geschlafen, bevor Nessel sich wieder in meine Träume eingeschlichen hatte. Ich träumte davon, in einem Fluss zu fischen, wie ich die Hände in das rasch dahinfließende Wasser tauchte und Fische ans Ufer hinter mir warf. Es war ein guter, ein tröstender Traum. Unsichtbar war Nachtauge bei mir. Dann ertasteten meine Finger eine Türklinke unter dem kalten Wasser. Ich tauchte den Kopf hinein, um sie mir anzusehen. Plötzlich öffnete sie sich und zog mich hinein. Triefendnass stand ich in einem kleinen Schlafzimmer. Anhand der schrägen Decke wusste ich, dass ich mich im Dachgeschoss eines Hauses befand. Um mich herum herrschte Stille, und nur eine flackernde Kerze erhellte den Raum. Ich fragte mich, wie ich hierher gelangt war, und drehte mich zur Tür um. Ein Mädchen stand davor, den Rücken entschlossen dagegen gepresst und die Arme weit auseinander, um mich davon fernzuhalten. Sie trug ein langes Nachthemd aus Baumwolle, und ihr dunkles Haar hing ihr zu einem einzigen Zopf geflochten über die Schulter. Erstaunt starrte ich sie an.
    »Wenn du mich nicht in deine Träume lassen willst, dann werde ich dich in meinen fangen«, bemerkte sie triumphierend.
    Ich stand vollkommen

Weitere Kostenlose Bücher