Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
aufmerksam um und suchte nach jemandem, der Laurel hierher hätte folgen können.
In diesem Augenblick sah ich Jinna. Vermutlich war sie in die Taverne gekommen, um mich zu suchen, nachdem sie mit ihrer Nichte gesprochen hatte. Sie stand an der Tür, durch die sie gerade hereingekommen war. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke. Sie sah die Frau in meinen Armen, und ihre Augen wurden groß. Wäre sie an den Tisch gekommen, hätte sie wahrscheinlich gesehen, dass ich nur eine Freundin tröstete, doch das tat sie nicht, und ich konnte Laurel ja wohl kaum von mir stoßen, zu Jinna eilen und ihr alles erklären. Ich blickte sie flehentlich an, doch ihr Gesicht nahm einen kalten Ausdruck an. Dann ging ihr Blick an mir vorbei, als hätte sie mich nicht gesehen. Schließlich drehte sie sich um und ging hinaus; ihr Rücken sprach Bände.
Vor lauter Frust zog sich mein Herz zusammen. Ich tat nichts Falsches, und doch verriet mir Jinnas Haltung, wie verletzt sie war. Ich saß wie ein Häuflein Elend da, während Laurel noch ein paar Mal tief durchatmete und sich dann wieder erholte. Unvermittelt setzte sie sich auf; fast hätte sie mich von sich gestoßen. Ich ließ sie los. Laurel rieb sich die Augen, griff nach ihrem Krug und leerte ihn. Ich hatte meinen kaum angerührt.
»Das ist dumm von mir«, verkündete Laurel plötzlich. »Ich bin hier, weil ich ein Gerücht gehört habe, dass die Zwiehaften sich hier treffen würden. Ich bin in der Hoffnung hierher gekommen, dass sich einer von ihnen mir nähern würde. Dann hätte ich ihn erschlagen können. Vermutlich wäre aber ich es gewesen, die getötet worden wäre. Ich weiß nicht, wie man auf diese Art kämpft.«
In diesem Augenblick sah ich etwas Beunruhigendes in ihren Augen. Ihr Blick war berechnend und kalt geworden. »Du solltest das Kämpfen jenen überlassen, die …«, begann ich.
»Sie hätten die Finger von meinem Pferd lassen sollen«, unterbrach sie mich düster, und ich wusste, dass sie mir zu diesem Thema nicht weiter zuhören würde.
»Lass uns nach Hause gehen«, schlug ich vor.
Laurel nickte müde, und wir verließen die Taverne. Die kalten Straßen wurden nur von dem wenigen Licht erhellt, das durch die Fenster fiel. Als wir die Häuser hinter uns ließen und den langen Marsch die dunkle Straße zur Burg hinauf begannen, fragte ich Laurel widerwillig: »Was wirst du jetzt tun? Wirst du Bocksburg verlassen?«
»Wohin sollte ich denn gehen? Soll ich Leid und Gefahren zu meiner Familie nach Hause bringen? Ich denke nicht.« Sie atmete tief ein und seufzte. »Aber ich glaube, du hast Recht. Ich kann nicht hier bleiben. Was werden sie als nächstes tun? Was ist schlimmer, als mein Pferd zu töten?«
Wir beide kannten mehrere Antworten auf diese Frage. Den Rest des Weges gingen wir schweigend nebeneinander her. Laurel war äußerst wachsam. Ich sah, wie sie ihren Kopf hin und her drehte und auf jedes noch so kleine Geräusch reagierte. Meine Wachsamkeit stand der ihren in nichts nach. Einmal durchbrach ich das Schweigen, um sie zu fragen: »Stimmt es denn, dass die Zwiehaften ins Festsitzende Schwein gehen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls sagt man das von der Taverne. Die Leute sagen das von vielen Spelunken. ›Gut genug für die Zwiehaften‹, heißt es. Den Spruch hast du doch bestimmt schon gehört.«
Hatte ich nicht, aber ich verstaute die Information in meinem Gedächtnis. Vielleicht lag in diesem Gerede ein wahrer Kern verborgen. Gab es wirklich eine Taverne in Burgstadt, in der sich die Zwiehaften trafen? Wer könnte das wissen? Was könnte ich dort erfahren?
Kaum hatten wir die Burgtore durchschritten, da sah ich Laurels ›Lehrling‹ auf uns zueilen. Er machte ein besorgtes Gesicht, und als er mich sah, fletschte er die Zähne. Laurel seufzte und nahm die Hand von meinem Arm. Angetrunken wankte sie auf ihn zu, und er hätte sie beinahe auffangen müssen. Was auch immer sie ihm sagen mochte, er funkelte mich noch einmal kurz an, bevor er Laurel in ihre Gemächer geleitete. Bevor ich mich für die Nacht in meine eigene Kammer zurückzog, machte ich noch eine schnelle Runde durch die Ställe. Meine Schwarze begrüßte mich mit ihrer typischen Zurschaustellung von Gleichgültigkeit. Das konnte ich dem Pferd wohl kaum zum Vorwurf machen; in den letzten Tagen hatte ich nicht viel Zeit für sie gehabt. Tatsächlich war sie für mich ›nur ein Pferd‹. Ich ritt sie, wenn Fürst Leuenfarb Malta ritt, aber ansonsten
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