Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
still da und schwieg. Irgendwie fühlte ich, dass alles, was ich ihr gab – sei es eine Geste oder ein Wort –, ihren Griff um mich nur verstärken würde. Ich wandte den Blick von ihr ab, denn indem ich sie erkannte, versank ich noch tiefer in ihrem Traum. Stattdessen schaute ich nach unten auf meine Hände. Mit einer seltsamen, freudigen Erregung erkannte ich, dass das nicht meine Hände waren. Das Mädchen hatte mich so hier gefangen, wie sie sich mich vorstellte, nicht wie ich wirklich war. Meine Finger waren kurz und dick und die Handteller schwarz und pelzig wie die Pfoten eines Wolfs.
»Das bin ich nicht.« Ich sprach die Worte laut aus, und sie kamen als merkwürdiges Knurren aus meinem Mund. Ich tastete nach meinem Mund und fand dort eine Schnauze.
»Doch, das bist du!«, versicherte mir das Mädchen, doch ich verblasste bereits, löste mich von der Form, mit der sie geglaubt hatte, mich halten zu können. Die Falle war einfach falsch gebaut. Das Mädchen sprang auf mich zu, packte mich am Handgelenk, musste jedoch feststellen, dass sie nur einen leeren Wolfspelz zwischen den Fingern hielt.
»Nächstes Mal werde ich dich fangen!«, erklärte sie wütend.
»Nein, Nessel. Das wirst du nicht.«
Dass ich ihren Namen aussprach, ließ sie erstarren. Sie öffnete den Mund, um mich zu fragen, woher ich ihren Namen kannte, doch ich entfloh ihrem Traum bereits und wachte auf. Ich drehte mich um und öffnete kurz die Augen für die inzwischen vertraute Dunkelheit meiner Dienerkammer. »Nein, Nessel. Das wirst du nicht.« Ich sprach die Worte laut aus, um mir selbst zu versichern, dass sie wahr waren. Den Rest der Nacht hatte ich dann jedoch nicht mehr schlafen können.
Und so blickten Pflichtgetreu und ich am nächsten Morgen im Gabenturm einander vollkommen übermüdet über den Tisch hinweg an. Morgen war es nur dem Namen nach. Der Winterhimmel draußen war schwarz, und die Kerzen auf dem Tisch versuchten vergebens, die Dunkelheit auch aus den Ecken zu vertreiben. Ich hatte ein Feuer im Kamin gemacht, doch es hatte dem Raum noch nicht die Kälte genommen. »Gibt es irgendetwas Schlimmeres, als hundemüde und durchgefroren zugleich zu sein?«, fragte ich Pflichtgetreu rhetorisch.
Er seufzte, und ich hatte das Gefühl, dass er meine Frage noch nicht einmal gehört hatte. Die, die er mir dann stellte, jagte mir eine andere Art von Gänsehaut über den Rücken. »Hast du je die Gabe benutzt, um jemanden etwas vergessen zu lassen?«
»Ich … Nein. Nein, ich habe nie so etwas getan.« Dann fragte ich, obwohl ich die Antwort fürchtete: »Warum fragst du?«
Wieder stieß Pflichtgetreu einen Seufzer aus. »Wenn man sie auf diese Art benutzen könnte, würde das mein Leben im Augenblick um Einiges einfacher machen. Ich fürchte, dass ich … dass ich vergangene Nacht etwas zu jemandem gesagt habe, dass ich nie … Ich habe es noch nicht einmal so gemeint, aber sie … « Todunglücklich unterbrach er sich selbst.
»Fang am Besten am Anfang an«, schlug ich ihm vor.
Er atmete tief durch. »Gentil und ich haben mit den Steinen gespielt, und …«
»Mit den Steinen?«
Wieder seufzte er. »Ich habe mir selbst ein Spiel aus Tuch und Spielsteinen gebastelt. Ich dachte, ich würde vielleicht besser darin werden, wenn ich es außer mit dir mit noch jemandem spielen würde.«
Ich schluckte meinen Einwand hinunter. Gab es irgendeinen Grund, warum er seinen Freunden das Spiel nicht beibringen sollte? Mir fiel keiner ein. Trotzdem ärgerte es mich.
»Ich habe ein, zwei Partien mit Gentil gespielt, die er verloren hat. Damit musste er auch rechnen, denn niemand beherrscht das Spiel wirklich sofort. Er erklärte jedoch, dass er genug für den Augenblick habe, dass das nicht seine Art von Spiel sei, und dann ist er aufgestanden, zum Kamin gegangen und hat sich mit jemand anderem unterhalten. Nun, Lady Vance hatte uns früher am Abend beobachtet und erklärt, sie wolle es auch lernen, aber wir waren gerade mitten in einer Partie, und so hatten wir keinen Platz für sie. Sie blieb jedoch an unserem Tisch und schaute zu, und als Gentil dann gegangen ist, setzte sie sich auf seinen Platz, anstatt ihm hinterher zu gehen, denn sie schien ihm sehr zugetan zu sein. Ich hatte Spielfeld und Steine bereits weggeräumt, doch sie ergriff meine Hand und erklärte, nun sei sie an der Reihe.«
»Lady Vance?«
»Oh, du dürftest sie noch nicht kennen gelernt haben. Sie ist so um die siebzehn und recht hübsch. Ihr voller Name lautet
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