Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
dass ich in meinen Jahren in Bingtown und an anderen Orten mein Schicksal nicht korrekt erfüllt habe. Ich fürchte, ich bin vom Weg abgekommen, und so wird alles, was ich von jetzt an tue, nur ein Zerrbild sein.« Er seufzte. »Fitz, ich erfühle meinen Weg durch die Zeit. Nicht ein Schritt nach dem anderen, sondern Augenblick für Augenblick. Was fühlt sich richtig an? Bis jetzt hat es sich nicht richtig angefühlt, Chade davon zu erzählen. Also habe ich es ihm nicht erzählt. Heute hat es sich richtig angefühlt, dir von diesen Dingen zu berichten. Ich habe sie dir erzählt. Jetzt habe ich die Entscheidung an dich weitergegeben. Sagen oder nicht sagen? Das liegt nun an dir, Veränderer.«
Ich empfand es als seltsam, dass eine menschliche Stimme den Namen aussprach, den Nachtauge mir gegeben hatte. Ich fühlte mich unwohl. »Hast du die wichtigen Entscheidungen immer auf diese Art getroffen? Nach deinem ›Gefühl‹?« Mein Tonfall war schärfer, als ich beabsichtigt hatte, doch der Narr zuckte nicht zusammen.
Stattdessen betrachtete er mich gleichmütig und fragte: »Wie sollte ich sie sonst treffen?«
»Anhand deines Wissens. Anhand von Omen und Zeichen, Träumen und deinen eigenen Prophezeiungen … Ich weiß es nicht. Aber es sollte schon etwas mehr sein als nur Gefühl. Bei Els Eiern, Mann, was du ›fühlst‹, könnten einfach die Magenschmerzen nach einer verdorbenen Mahlzeit sein.«
Ich blickte auf meine Hände und dachte nach. Er hatte die Entscheidung mir übertragen. Was sollte ich tun? Plötzlich kam mir die Entscheidung deutlich schwerer vor als noch vor wenigen Augenblicken, da ich den Narren getadelt hatte. Wie würde das Wissen um diese Dinge Chades Haltung zu Bingtown und einer möglichen Allianz beeinflussen? Echte Drachen. War ein Anteil an einem echten Drachen einen Krieg wert? Und was würde geschehen, wenn wir uns nicht mit den Bingtownern verbündeten, sie gewinnen und dann eine Phalanx von Drachen zu ihrer Verfügung hätten? Sollte ich es Kettricken erzählen? Dann wären die Fragen die gleichen, die Antworten vermutlich jedoch vollkommen andere. Ich seufzte laut. »Warum hast du mir diese Entscheidung übertragen?«
Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter, blickte auf und sah sein typisches halbes Lächeln. »Weil du auch früher schon gut damit zurechtgekommen bist, wenn ich das gemacht habe – seit ich dich als Jungen im Garten gejagt habe.«
Ich blickte ihn mit großen Augen an. »Damals hast du mir nur gesagt, du hättest einen Traum gehabt und wolltest mir davon erzählen.«
Er lächelte geheimnisvoll. »Ich hatte auch einen Traum, und ich habe ihn aufgeschrieben. Acht Jahre war ich da alt. Als ich das Gefühl hatte, die Zeit sei gekommen, habe ich dir davon erzählt. Selbst damals hast du schon gewusst, was du damit anfangen solltest … als mein Katalyst. Ich vertraue darauf, dass es nun nicht anders sein wird.« Er lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück.
»Damals hatte ich keine Ahnung, was ich getan habe. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie weit die Folgen gehen würden.«
»Wie ist das jetzt, da du es weißt?«
»Ich wünschte, es wäre anders. Das macht die Entscheidung nur umso schwieriger.«
Er lächelte hochnäsig. »Siehst du.« Dann beugte er sich plötzlich vor. »Wie hast du damals im Garten deine Entscheidung getroffen? Wie hast du gewusst, was du tun musstest?«
Langsam schüttelte ich den Kopf. »Ich habe keine Entscheidung getroffen. Es gab nur eine Handlungsmöglichkeit, und das habe ich getan. Falls irgendetwas meine Entscheidung beeinflusst haben sollte, dann das, was ich für die Sechs Provinzen für das Beste hielt. Darüber hinaus habe ich an nichts gedacht.«
Ich drehte den Kopf, als ich hörte, wie sich das Weinregal bewegte. Chade betrat den Raum durch den Geheimgang. Er war außer Atem und wirkte gequält. Sein Blick fiel auf den Brandwein. Ohne ein Wort ging er zum Tisch, schnappte sich meinen Becher und leerte ihn. Dann atmete er tief durch und sprach: »Ich dachte mir schon, dass ihr beide euch hier oben verstecken würdet.«
»Verstecken würde ich das kaum nennen«, protestierte ich. »Wir unterhalten uns an einem Ort, wo wir wissen, dass die Dinge unter uns bleiben.« Ich stand auf, und Chade ließ sich dankbar auf meinen Stuhl sinken. Offensichtlich war er die Stufen zum Turm hinaufgerannt.
»Ich wünschte, Kettricken und ich hätten die Audienz mit den Händlern ebenso vertraulich abgehalten. Die Leute reden schon, und
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