Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
einen Hauch von Zweifel auf dem Gesicht der Narcheska zu sehen; dann jedoch war sie wieder ganz von Entschlossenheit erfüllt. Als sie sprach, klang ihre junge Stimme klar; deutlich artikulierte sie jedes Wort, und sie sprach so laut, dass sie weithin zu hören war. »Ich bin hier, Königin Kettricken der Sechs Provinzen. Aber ich fürchte, inzwischen hege ich Zweifel, dass ich mich wirklich je zu Euch gesellen werde, als Weib Eures Sohnes.« Dann drehte sie sich um und ließ ihren Blick langsam über die Versammelten schweifen. Ihr Vater hatte sich gerade aufgesetzt und die Schultern gestrafft. Ich nahm an, dass ihre Worte eine Überraschung für ihn waren, und das versuchte er nun zu verbergen. Das anfängliche Entsetzen auf dem Gesicht der Königin war einer kalten, höflichen Maske gewichen.
»Eure Worte enttäuschen mich, Narcheska Elliania Schwarzwasser von den Gottesrunen.« Das war alles, was Kettricken sagte. Sie stellte keine Frage, die Elliania zu einer Antwort aufgefordert hätte. Ich sah, wie Elliania zögerte; sie suchte nach einem geeigneten Anfang für ihre geplante Rede. Ich nahm an, dass sie etwas mehr Reaktion von der Königin erwartet hatte, einschließlich einer Aufforderung, das zu erklären. Da diese Einleitung nun weggefallen war, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Worte so zu drehen, dass sie zum höflichen Bedauern der Königin passten.
»Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass dieses Verlöbnis nicht meinen Erwartungen entspricht, welche zugleich auch die meines Mütterhauses sind. Man hat mir gesagt, ich würde hierher kommen, um meine Hand einem König zum Bund zu reichen. Stattdessen bietet man meine Hand einem Jüngling, einem Prinzen, der noch nicht einmal ein König-zurRechten ist, wie Ihr jene zu nennen pflegt, welche die Pflichten der Krone lernen. Das ist nicht zu meiner Zufriedenheit.«
Kettricken antwortete nicht sofort darauf. Sie ließ die Worte des Mädchens verhallen. Als sie schließlich wieder sprach, wählte sie möglichst schlichte Worte, als erkläre sie einem Kind etwas, das es ansonsten nicht verstehen würde. Die Wirkung war die einer reifen, geduldigen Frau, die sich an ein eigenwilliges Mädchen wandte. »Es ist bedauernswert, dass man Euch unsere Sitten und Bräuche nicht in angemessener Form gelehrt hat, Narcheska Elliania. Prinz Pflichtgetreu muss Siebzehn sein; erst dann kann er zum König-zur-Rechten erklärt werden. Anschließend ist es Sache der Herzöge, ob man ihn auch zum echten König krönen wird. Ich gehe nicht davon aus, dass es lange dauert, bis er diese Verantwortung übernehmen wird.« Während sie sprach, ließ sie den Blick über ihre Herzöge und Herzoginnen schweifen. Sie ehrte sie damit, dass sie ihre Rolle so öffentlich anerkannte, und das wusste sie. Die meisten nickten weise zu ihren Worten. Das hatte sie gut gemacht.
Ich glaube, Elliania bemerkte, dass ihr das Zepter aus der Hand genommen wurde. Ihre Stimme besaß einen kaum merklichen schrillen Unterton, als sie vielleicht eine Sekunde zu früh sagte: »Nichtsdestotrotz. Sollte ich jetzt mein Verlöbnis mit Prinz Pflichtgetreu akzeptieren, kann niemand leugnen, dass ich das Risiko eingehe, mein Schicksal an einen Prinzen zu binden, der vielleicht nie zum König erklärt wird.«
Als sie Luft holte, fiel ihr Kettricken ruhig ins Wort. »Das ist ausgesprochen unwahrscheinlich, Narcheska Elliania.«
Fast als wäre es mein eigener, fühlte ich Pflichtgetreus verletzten Stolz. Das Temperament der Weitseher lauerte hinter seinem kühlen Bergvolkäußeren. Die Gabenverbindung zwischen uns pulsierte von seinem wachsenden Zorn.
Ruhig. Lass die Königin das regeln. Ich sandte ihm diese Anweisung über einen möglichst dünnen Faden.
Ich nehme an, das muss ich wohl, erwiderte er unbesonnen. Egal oh mir das nun gefällt oder nicht. Genauso, wie ich diese arrangierte Ehe tolerieren muss.
Derart provoziert vernachlässigte er seine Selbstbeherrschung nicht; sie war schlicht nicht mehr da. Ich zuckte unwillkürlich zusammen und blickte zu dem verschleierten Bingtown-Händler. Er kam mir schon zu still vor, als lausche er mit jeder Pore seines Körpers. Ich hatte Angst vor ihm.
»Nichtsdestotrotz!«, sagte die Narcheska erneut, und diesmal verlieh ihr Akzent dem Wort einen schärferen Klang. Ich beobachtete, wie ihre Selbstsicherheit langsam ins Wanken geriet, aber stur machte sie weiter. Ohne Zweifel hatte sie diese Rede endlos in ihren Gemächern geübt; trotzdem hielt sie sie jetzt ohne
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