Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
und du hättest eingesehen, dass es am Beste wäre, bei ihm zu leben. Und vergiss nicht, dass Jinna mehr als freundlich zu uns beiden war; sie hat mehr für uns getan, als man mit Geld kaufen kann, und weder du noch ich haben das verdient. Meide sie nicht, nur weil sie keinen Ärger in ihrem Haus haben wollte. Ärger darf nicht der Preis dafür sein, wenn man sich als unseren Freund bezeichnet.«
Dann hatte ich meinen Griff gelockert und ihm erlaubt, die Hand abzuschütteln und davonzustapfen. Ich wusste nicht, was er seit dem getan hatte. Ich war nicht in die Stadt gegangen, um das zu überprüfen. Ich überließ es vollkommen ihm, diesen Teil seines Lebens zu regeln. Ihm waren Nahrung und Unterkunft sicher, wenn er sich entschied, auf die damit verbundenen Bedingungen einzugehen. Mehr als das konnte ich nicht für ihn tun. Ich richtete meine Gedanken wieder auf das Gespräch mit Chade.
»Harm hatte ein paar Schwierigkeiten, sich in der Stadt einzuleben«, gab ich dem alten Assassinen gegenüber zu. »Auf unserem Hof war er es gewöhnt, seine Zeit selbst einzuteilen, was auch kein Problem war, solange die Arbeit erledigt wurde. Es war ein einfacheres Leben als hier. Es gab weniger Alltagstrott, und er hatte mehr Freiraum.«
»Und auch weniger Bier und Mädchen, wie ich mir vorstellen kann«, fügte Chade hinzu, und ich vermutete, dass er wieder einmal weit mehr wusste, als er verlauten ließ. Aber er lächelte, als er es sagte, und ich ließ das Thema auf sich beruhen. Nicht nur weil er weder Harm noch mich mit seiner Bemerkung hatte beleidigen wollen, sondern auch weil es mich freute, den alten Mann bei so scharfem Verstand zu sehen wie eh und je. Es schien, als würde Chade umso mehr gedeihen, je verworrener und härter die Intrigen am Hof von Bocksburg waren. »Nun. Ich hoffe, du weißt, dass du auf mich zählen kannst, egal in was für Schwierigkeiten dein Harm geraten sollte. Falls es notwendig ist, werde ich euch helfen – und das umsonst.«
»Das weiß ich«, hatte ich erwidert, vielleicht ein wenig barsch, und er hatte mich gehen lassen. Wir mussten uns beide für das Ereignis des Nachmittags vorbereiten. Chade musste sich für die Verabschiedung der Outislander formell ankleiden. Er hoffte verzweifelt, dass die Geschenke und Ehrbezeigungen, die es heute Abend geben würde, die Risse zwischen uns und den Outislandern kitten konnten, und dass das Verlöbnis bestätigt war, wenn sie im Morgengrauen aufbrechen würden. Was mich betraf, so musste ich mir meine Ausrüstung zusammensuchen und dann auf meinen Spionageposten eilen, um jene Informationsschnipsel aufzufangen, die Chade vielleicht entgehen könnten.
Er ging in seine Gemächer, um sich umzuziehen. Meine Vorbereitungen waren vollkommen anders. Ich nahm mir einen Vorrat an Kerzen, ein Kopfkissen und eine Decke, eine Flasche Wein sowie etwas zu essen. Ich rechnete damit, mehrere Stunden lang in meinem Versteck hocken zu müssen, und ich war fest entschlossen, mir diese Zeit so angenehm wie möglich zu machen. In den vergangenen Tagen hatte der Winter die Burg fest im Griff gehabt, und in den Geheimgängen war es eiskalt.
Ich schnürte alles zusammen und scheuchte Gilly dabei mehrmals zur Seite. Das Frettchen war in letzter Zeit äußerst gesellig und begrüßte mich jedes Mal mit einem Zucken der Schnurrhaare und einem Schnüffeln, wann immer wir uns in den Geheimgängen begegneten. So sehr ich seine Jagden auch genoss und trotz der zahlreichen Trophäen, die er mir hinterließ, um mir sein Können zu demonstrieren, überraschte er mich oft damit, dass er Rosinen oder Brotstückchen von mir erbettelte. Die schien er lieber hinter einem Regal oder unter den Stühlen zu verstecken, als dass er sie aß. Sein Geist war wie ein Kolibri, neugierig und ruhelos. Wie die meisten Tiere war er vollkommen uninteressiert daran, sich mit einem Menschen zu verschwistern. Unsere zwiehaften Sinne streiften einander oft, kamen aber nie zusammen. Trotzdem, er zeigte kameradschaftliches Interesse an dem, was ich tat, und neugierig folgte er mir durch die engen Gänge.
Als ich meinen Posten erreichte, blieb mir noch viel Zeit bis zum Abschiedsbankett. Ich legte mein Kissen auf den wackeligen Hocker, den ich unterwegs eingesammelt hatte, stellte mein Essen auf den verstaubten Boden neben mich und meine Kerze dazu. Dann setzte ich mich, schlang die Decke um die Schultern und machte es mir vor dem Guckloch bequem. Von hier aus hatte ich gute Sicht, stellte ich zufrieden
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