Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Schulter des Prinzen zu packen, als dieser aufspringen wollte. Der Prinz schüttelte ihn ab.
»Ich nehme Eure Herausforderung an.« Jung und stark hallte die Stimme des Prinzen durch den Saal. Gegen jedes Protokoll löste er sich von seinem Stuhl und baute sich direkt vor der Narcheska auf, als wäre das hier tatsächlich ein Streit zwischen Liebenden. Mit seinem Handeln schloss er die Königin aus, als hätte sie überhaupt nichts in dieser Angelegenheit zu sagen. »Ich werde es tun, aber nicht, um mich Eurer Hand als würdig zu erweisen, Narcheska. Ich werde es nicht tun, um Euch oder sonst irgendjemandem etwas zu beweisen. Ich werde es tun, weil ich nicht zulassen kann, dass die langen Friedensverhandlungen zwischen unseren beiden Völkern durch die unsinnigen Zweifel eines viel zu stolzen Mädchens an mir gefährdet werden.«
Die Narcheska zahlte ihm mit gleicher Münze zurück. »Es ist vollkommen egal, warum Ihr es tut«, sagte sie, und plötzlich sprach sie wieder außergewöhnlich präzise, »solange die Aufgabe erledigt wird.«
»Und was ist das für eine Aufgabe?«, verlangte Pflichtgetreu zu wissen.
»Prinz Pflichtgetreu«, sagte die Königin. Jeder Sohn hätte die Bedeutung dieser Worte erkannt. Indem sie seinen Namen aussprach, befahl sie ihm, zurückzutreten und zu schweigen; doch der Prinz schien sie noch nicht einmal zu hören. Seine gesamte Aufmerksamkeit war auf das Mädchen gerichtet, das ihn gedemütigt und all seine Versuche zurückgewiesen hatte, sich zu entschuldigen.
Elliania atmete tief durch, und als sie danach wieder sprach, erkannte ich eindeutig die Diktion einer vorbereiteten Rede. Wie ein Rennpferd, das plötzlich festen Boden unter den Hufen spürte, sprang sie los.
»Ihr wisst nur wenig über die Gottesrunen, Prinz, und noch weniger über unsere Legenden. Denn eine Legende werden viele den Drachen Eisfeuer nennen, auch wenn ich Euch versichern kann, dass er durchaus real ist – genauso real wie die Drachen der Sechs Provinzen, die über unsere Dörfer geflogen sind und sich die Erinnerungen und Gefühle der Bewohner geschnappt haben.« Das waren bittere Worte, die nur bittere Erinnerungen bei jenen aus den Sechs Provinzen wecken konnten, die sie hörten. Wie konnte sie es wagen, sich darüber zu beschweren, was unsere Drachen ihrem Volk angetan hatten? Schließlich waren es ihre jahrelangen Überfälle und der Rote Wahn gewesen, was uns dazu provoziert hatte. Die Narcheska bewegte sich auf sehr, sehr dünnem Eis, und dunkles Wasser sammelte sich bereits in ihren Fußabdrücken. Ich glaube, nur die Dramatik des Augenblicks hat sie gerettet. Sie wäre erbarmungslos niedergeschrien worden, hätten alle nicht unbedingt wissen wollen, wer Eisfeuer war. Selbst die Bingtowner zeigten sich plötzlich ausgesprochen aufmerksam.
»Unsere ›Legende‹ lautet, dass Eisfeuer, der schwarze Drache der Gottesrunen, tief im Herzen des Gletschers auf der Insel Aslevjal schläft. Sein Schlaf ist magisch; er bewahrt seine Kräfte, bis eine große Not des Volks der Gottesrunen ihn wieder weckt. Dann wird er sich aus dem Gletscher befreien und uns zu Hilfe eilen.« Sie hielt kurz inne und ließ ihren Blick langsam durch den gesamten Raum schweifen. Ihre Stimme klang kühl und gefühllos, als sie bemerkte: »Hätte er das nicht tun müssen, als Eure Drachen über uns hinweggeflogen sind? Waren wir da nicht in allergrößter Not? Doch unser Held hat sich nicht in die Luft erhoben, und wie alle Helden, die ihre Pflicht versäumen, verdient er dafür den Tod.« Sie drehte sich wieder zu Pflichtgetreu um. »Bringt mir Eisfeuers Kopf. Dann werde ich wissen, dass Ihr im Gegensatz zu ihm ein würdiger Held seid, und ich werde Euch heiraten und stets eine gute Ehefrau sein, ob Ihr nun König der Sechs Provinzen werdet oder nicht.«
Ich fühlte Pflichtgetreus sofortige Reaktion. NEIN, verbat ich ihm, und zum ersten Mal, seit ich ihm durch einen Unfall mittels der Gabe eingeprägt hatte, nicht gegen mich zu kämpfen, hoffte ich von ganzem Herzen, dass dieser Befehl noch vollständig aktiv war.
Und er war es. Ich fühlte, wie er gegen die Barriere prallte. Wie ein Kaninchen im Würgegriff einer Schlange, versuchte er sich aus der Umklammerung meines Befehls zu befreien; aber anders als bei einem Kaninchen fühlte ich, wie er sich trotz seiner Panik und Wut fragte, auf was für eine Art von Hindernis er da gestoßen war. Er handelte so schnell wie ein Gedanke. Er hob den Kopf und folgte dem Seil an der
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