Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
jede Finesse oder unterstützende Gesten. Es waren nur Worte, verzweifelt geschleuderte Kieselsteine. Zweifelsohne glaubten die Meisten, dass sie nur dem Verlöbnis entkommen wollte. Meine Vermutungen gingen jedoch in eine andere Richtung.
»Nichtsdestotrotz … Wenn ich diesen Euren Brauch akzeptieren und die Frau eines Prinzen werden soll, der vielleicht nie König werden wird, erscheint es mir nur fair und gut zu sein, dass ich ihn im Gegenzug bitte, einen Brauch meines Landes, meines Volkes zu ehren.«
Hier waren einfach viel zu viele Gesichter versammelt, um die Reaktion eines jeden beobachten zu können. Eines, das ich aber im Auge behielt, war das von Arkon Blutklinge. Ich war sicher, dass die Rede seiner Tochter eine vollkommene Überraschung für ihn war; dennoch schien er erfreut zu sein, als sie ihre Bedingung nannte. Aber andererseits, so sinnierte ich, war er offensichtlich ein Mann, der Herausforderungen und Spiele ebenso sehr genoss, wie eine Schau zu veranstalten. Er war zufrieden, sie im Topf rühren zu lassen und zu warten, was zum Schluss oben schwimmen würde. Vielleicht würde es ihm ja zum Vorteil gereichen. Mehrere Leute neben ihm sahen jedoch nicht ganz so zuversichtlich aus. Sie tauschten besorgte Blicke aus; offenbar befürchteten sie – wohl nicht ganz unbegründet –, dass die Dreistigkeit des Mädchens nicht nur das Verlöbnis, sondern auch die Verhandlungen über einen Ausbau der Handelsbeziehungen gefährden würde.
Prinz Pflichtgetreu war das Blut ins Gesicht gestiegen. Ich sah und fühlte, wie viel Kraft es ihn kostete, sich zu beherrschen. Kettricken wiederum schien es keinerlei Mühe zu bereiten, ruhig zu bleiben.
»Vielleicht könnten wir das akzeptieren«, sagte sie, und wieder klang es, als rede sie mit einem Kind. »Würde es Euch etwas ausmachen, uns diesen Brauch zu erklären?«
Die Narcheska schien zu wissen, dass sie keine gute Vorstellung bot. Sie richtete sich zu voller Größe auf und atmete tief ein, bevor sie sagte: »In meinem Land, auf den Gottesrunen, ist es Brauch, dass die Mütter einer Frau einem Mann, der eine ihrer Töchter heiraten will, eine Herausforderung stellen können, falls sie sich seines Blutes oder seines Charakters nicht sicher sein sollten; so kann der Mann sich als würdig erweisen.«
Da war es: eine so freche Beleidigung, dass kein Herzog und keine Herzogin der Königin einen Vorwurf daraus gemacht hätte, hätte sie Verlöbnis und Allianz an Ort und Stelle für null und nichtig erklärt. Nein, sie hätten ihr keine Vorwürfe gemacht, aber in den Gesichtern einiger kämpften Stolz und Aussicht auf Profit miteinander. Die Herzöge und Herzoginnen blickten einander an, diskutierten stumm, was nun zu tun war. Aber bevor die Königin auch nur Luft holen konnte, um etwas darauf zu erwidern, fügte die Narcheska rasch hinzu:
»Da ich ohne meine Mütter hier stehe, die für mich sprechen könnten, möchte ich selbst eine Herausforderung vorschlagen, durch die der Prinz sich meiner als würdig erweisen könnte.«
Ich kannte Kettricken schon als sie noch die Tochter des Bergvolks gewesen war, bevor man sie zur Königin der Sechs Provinzen gemacht hatte. Ich hatte sie schon in den Tagen gekannt, da sie sich langsam vom Mädchen zu einer jungen Frau entwickelt hatte und dann zur Mutter und Königin. Andere mochten ja mehr Zeit an ihrer Seite verbracht haben, vor allem in den letzten Jahren, doch mit meinem Wissen aus ihrer Jugend glaubte ich, ihr Verhalten besser deuten zu können als jeder andere. An einer winzigen Bewegung ihrer Lippen sah ich, wie enttäuscht sie war. All die Monate voller mühevoller Arbeit, um die Allianz zwischen den Sechs Provinzen und den Äußeren Inseln zustande zu bringen, waren angesichts der überstürzten Worte dieses hitzköpfigen Mädchens umsonst gewesen. Kettricken konnte es unmöglich zulassen, dass jemand den Wert ihres Sohnes in Frage stellte. Wenn Elliania Pflichtgetreu schief ansah, sah sie das gesamte Königreich der Sechs Provinzen schief an. Das konnte Kettricken nicht tolerieren. Mit verletztem Mutterstolz hatte das allerdings nichts zu tun; sie durfte schlicht nicht zulassen, dass der Wert eines Bündnisses mit den Sechs Provinzen auf diese Art heruntergespielt wurde. Ich hielt den Atem an und wartete darauf, wie Kettricken die Verhandlungen beenden würde. Ich war so sehr auf das Gesicht der Königin konzentriert, dass ich nur aus den Augenwinkeln heraus bemerkte, wie Chade unauffällig versuchte, die
Weitere Kostenlose Bücher