Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Schlinge bis zu mir.
Er kappte es. Das fiel ihm nicht leicht. In dem Augenblick, bevor ich den Kontakt zu ihm verlor, fühlte ich, wie ihm der Schweiß aus den Poren drang. Für mich war es, als hätte man meinen Kopf auf einen Amboss geschlagen. Die Wucht des Aufpralls machte mich benommen, doch ich hatte keine Zeit, an den Schmerz zu denken, denn plötzlich bemerkte ich, dass die blassblau leuchtenden Augen des vermummten Händlers tatsächlich durch den Schleier hindurch zu sehen waren. Er starrte nicht auf den Prinzen, sondern auf das Guckloch, hinter dem ich versteckt kauerte. Ich hätte viel dafür gegeben, in diesem Augenblick seinen Gesichtsausdruck zu sehen. Während ich betete, dass das nur ein bizarrer Zufall sein möge, verlangte es mir danach, mich hinzukauern, die Augen zu schließen und zu warten, bis sein Blick an mir vorübergezogen war.
Aber ich konnte nicht. Ich hatte eine Pflicht zu erfüllen, nicht nur als Weitseher, sondern auch als Chades zusätzliches Paar Augen. So hielt ich meinen Blick auf den Raum gerichtet. Mein Kopf pochte vor Schmerz, und Seiden Vestrit starrte weiter auf die Wand, die mich hätte abschirmen sollen. Dann sprach Pflichtgetreu.
Seine Stimme dröhnte, hallte von den Wänden wider, Veritas' Stimme, die Stimme eines Mannes. »Ich nehme die Herausforderung an!«
Das Alles geschah so schnell, dass ich Kettricken nach Luft schnappen hörte. Sie hatte noch nicht einmal die Zeit gehabt, sich eine Erwiderung zu überlegen, geschweige denn, sie auszusprechen. Ein benommenes Schweigen folgte diesen Worten. Die Outislander, einschließlich Arkon Blutschwert, blickten einander besorgt an. Offenbar gefiel ihnen die Vorstellung nicht, dass der Prinz der Sechs Provinzen ihren Drachen erschlagen sollte. An den Tischen der Sechs Provinzen war der Gedanke förmlich greifbar, dass der Prinz es nicht nötig hatte, die Herausforderung der Fremden anzunehmen. Ich sah Chade zusammenzucken, doch schon einen Augenblick später, riss der alte Assassine die Augen weit auf, und ich sah Hoffnung in ihnen schimmern, denn überall brachen die Leute in Jubel aus – nicht nur jene an den Tischen der Sechs Provinzen, sondern auch die Outislander. Der Enthusiasmus für den jungen Mann, der diese Herausforderung angenommen hatte, brach sich in einem lauten Brüllen bahn und hatte nichts mehr mit gesundem Menschenverstand zu tun. Selbst ich empfand einen Hauch von Stolz auf diesen jungen Weitseherprinzen in meiner Brust. Er hätte die Herausforderung ohne Probleme ablehnen können und ohne Verlust für seine Ehre; doch stattdessen hatte er sich ihr gestellt, um auch nur den Hauch eines Zweifels seitens der Outislander zu beseitigen, dass er der Hand ihrer Narcheska nicht würdig sein könnte. Ich vermutete, dass die Outislander bereits Wetten darüber abschlossen, ob der Junge nun scheitern würde oder nicht. Doch ob er nun scheiterte oder nicht, ihr Respekt für ihn war so oder so deutlich gestiegen. Vielleicht verheirateten sie ihre Narcheska doch nicht mit einem Bauernprinzen. Vielleicht hatte er doch heißes Blut in den Adern.
Zum ersten Mal sah ich Verwirrung, ja sogar Entsetzen in den Gesichtern der Bingtown-Händler. Der verschleierte Händler starrte nicht länger auf meine Wand. Seiden Vestrit gestikulierte wild, sprach drängend auf die anderen an seinem Tisch ein und versuchte, sich über das Brüllen im Saal hinweg verständlich zu machen.
Ich erhaschte einen Blick auf Merle Vogelsang. Sie war auf den Tisch gesprungen, und ihr Kopf drehte sich wie eine außer Kontrolle geratene Windfahne, während sie versuchte, jede Einzelheit der Szene aufzunehmen, sich jede einzelne Reaktion zu merken und jeden Kommentar. Aus dem hier würde ein Lied entstehen, und es würde ihr Lied werden.
»Und!«, rief Prinz Pflichtgetreu in den Lärm hinein. Irgendetwas an den Falten um seine Augen warnte mich.
»Eda sei uns gnädig«, betete ich, aber ich wusste, dass weder Gott noch Göttin ihn jetzt noch aufhalten konnten. Ein wildes, trotziges Funkeln war in seinen Augen zu erkennen, und ich fürchtete, was auch immer er jetzt sagen würde. Auf seinen Ruf hin verstummte der Lärm in der Halle sofort. Als er wieder sprach, waren seine Worte direkt an die Narcheska gerichtet. Nichtsdestotrotz waren sie in der erwartungsvollen Stille weithin zu verstehen.
»Und ich habe auch eine Herausforderung zu stellen, denn wenn ich mich als würdig erweisen muss, die Narcheska Elliania zu heiraten, die keinerlei Aussichten
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