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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Pflichtgetreu zur Seite stehen sollte. Tatsächlich hatte ich mich darauf verlassen, dass sie ihn ablehnen würde. Meine Königin hatte mich wieder einmal überrascht.
    Als ich sicher war, wieder mit fester Stimme sprechen zu können, fragte ich: »Hat sie schon nach Nessel geschickt?«
    »Noch nicht. Die Königin wünscht, diese Angelegenheit persönlich und mit großem Taktgefühl zu erledigen. Wir wissen, dass Burrich sich erneut weigern könnte, wenn sie ihn darum bittet. Sollte sie es jedoch befehlen … Nun, keiner von uns weiß, wie er darauf reagieren würde. Sie will, dass sowohl Burrich als auch das Mädchen aus freien Stücken zustimmen. Deshalb muss sie sich genauestens überlegen, wie sie die Anfrage formulieren soll; aber im Augenblick beansprucht die Abordnung aus Bingtown all ihre Aufmerksamkeit und Zeit. Sobald die Gesandten abgereist sind, wird sie Burrich und Nessel hierher bestellen, um ihnen zu erklären, warum sie sie braucht … und vielleicht auch Molly.« Sehr, sehr vorsichtig fügte er hinzu: »Es sei denn natürlich, du möchtest ihnen die Angelegenheit im Namen der Königin vortragen. Dann könnte Nessel auch früher mit ihrem Unterricht beginnen.«
    Ich atmete tief durch. »Nein. Das möchte ich nicht. Und Kettricken sollte keine Zeit darauf verschwenden, sich zu überlegen, wie sie es ihnen sagen soll. Ich werde Nessel nämlich nicht in der Gabe unterrichten.«
    »Ich dachte mir schon, dass du so fühlst, aber Gefühle haben nichts mehr damit zu tun, Fitz. Das ist der Befehl unserer Königin. Wir haben keine andere Wahl, als ihr zu gehorchen.«
    Ich sackte auf meinem Stuhl zusammen. Der Geschmack der Niederlage stieg wie Galle in meiner Kehle hoch. So. Das war es also. Die Königin befahl, meine Tochter zum Wohle des Weitsehererben zu opfern. Ihr friedvolles Leben und die Sicherheit ihres Heims galten nichts im Vergleich zu den Bedürfnissen des Weitseherthrons. Ich war schon einmal in dieser Situation gewesen. Schon einmal hatte ich geglaubt, keine andere Wahl zu haben, als zu gehorchen; doch das war ein jüngerer Fitz gewesen.
    Einen Augenblick lang dachte ich nach. Kettricken, meine Freundin, die Frau meines Onkels Veritas, war durch Heirat eine Weitseher. Die Eide, die ich als Kind, als Jüngling und als junger Mann geschworen hatte, banden mich an die Weitseher und verpflichteten mich zu tun, was sie mir befahlen, notfalls sogar mein Leben in die Waagschale zu werfen. Für Chade war klar, was die Pflicht mir gebot. Aber was war schon ein Schwur? Laut ausgesprochene Worte mit dem guten Willen, sie einzuhalten. Für manche waren sie nicht mehr als das: Worte eben, die man ruhig wieder vergessen konnte, wenn das Herz es einem befahl. Männer und Frauen, die einander die Treue geschworen hatten, bändelten mit anderen an oder verließen gar ihre Gefährten. Soldaten, die sich ihren Herrn verschworen hatten, desertierten in langen, mageren Wintern. Adelige, die den Lehnseid geleistet hatten, wechselten die Seiten, wenn andere Herrscher ihnen größere Vorteile versprachen. So. War ich wirklich daran gebunden, ihr zu gehorchen? Ich bemerkte, dass meine Hand unbewusst zu der kleinen Fuchsanstecknadel in meinem Hemd gewandert war.
    Es gab hundert Gründe, warum ich Kettricken nicht gehorchen wollte, Gründe, die nichts mit Nessel zu tun hatten. Die Gabe, so hatte ich Chade früher schon einmal gesagt, war eine Magie, die man besser sterben lassen sollte. Dennoch hatte ich mich überreden lassen, Pflichtgetreu zu unterrichten. Das Lesen der Gabenschriften hatte mich auch nicht sicherer in dieser Entscheidung gemacht. Die ganzen Möglichkeiten der Gabe, von denen ich in diesen vergessenen Schriften einen Blick hatte erhaschen können, überstiegen alles, was Veritas sich je vorzustellen gewagt hatte. Schlimmer noch: Je mehr ich las, desto mehr erkannte ich, dass das, was wir hatten, nicht die Gabenbibliothek war, sondern lediglich Bruchstücke davon. Wir besaßen die Schriften, die von den Pflichten der Lehrmeister sprachen, sowie jene, in denen die anspruchsvollsten Anwendungen der Gabe dargestellt wurden. Es musste jedoch noch weitere Schriftrollen geben, Schriftrollen, die die Grundlagen erklärten und wie ein Gabennutzer seine Fähigkeiten und Selbstbeherrschung steigern konnte, um für die höheren Aufgaben gewappnet zu sein. Aber diese Schriften besaßen wir nicht. El allein wusste, was aus ihnen geworden war. Das Wenige, was ich in den verbliebenen Schriftrollen gelesen hatte, hatte

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