Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Auch konnte ich mich nicht entscheiden, wo ich sein wollte. Ich ging an der Tischlerei vorbei, wo Harm in die Lehre ging. Dort lungerte ich auf der Straße herum, bis ich einen Blick auf ihn erhaschte. Er hatte Werkzeuge in der Hand. Ich fragte mich, ob das wohl bedeutete, dass man ihm mehr Verantwortung übertragen hatte, oder ob er sie nur für jemanden hatte holen sollen. Nun, zumindest war er, wo er sein sollte. Ich wollte ihn heute nicht belästigen.
Als Nächstes wanderte ich zu Jinnas Laden, fand ihn aber verriegelt vor. Ich warf einen raschen Blick in die Scheune und sah, dass Pony und Wagen weg waren. Irgendjemand musste sie heute fortgerufen haben. Ich war nicht sicher, ob ich nun Erleichterung oder Enttäuschung darüber empfand. Ihre Gesellschaft hätte sicherlich nicht das Gefühl der Einsamkeit in mir zum Erlöschen gebracht, aber wäre sie Zuhause gewesen, ich wäre der Versuchung vermutlich erlegen.
Also traf ich die nächste dumme Entscheidung, die ich treffen konnte, und ging zum Festsitzenden Schwein: eine Taverne für die Zwiehaften und damit auch für den zwiehaften Bastard. Ich trat ein, und als ich in der Tür stand und das helle Licht des Wintertages hinter mir hereinfiel, kam ich zu dem Schluss, dass das Festsitzende Schwein zu jener Art von Gasthöfen gehörte, die bei Lampenlicht deutlich besser aussahen. Bei Tageslicht war nicht nur zu erkennen, wie bruchfällig die Einrichtung war und dass der Bodenstreu dringend einer Erneuerung bedurfte, sondern auch welch trostlose Gestalten die Taverne an solch einem schönen Nachmittag aufsuchten. Leute wie ich, mutmaßte ich säuerlich. Ein alter Mann und einer mit einem verdrehten Bein und nur einem Arm saßen an einem Tisch nahe dem Kamin beieinander, eine Handvoll Spielknochen zwischen sich. An einem anderen Tisch hockte ein Mann mit zerschlagenem Gesicht über einem Bierkrug und murmelte vor sich hin. Eine Frau blickte auf, als ich den Raum betrat. Fragend hob sie eine Augenbraue, doch ich schüttelte den Kopf. Sie funkelte mich an und starrte dann weiter ins Kaminfeuer. Ein Junge schrubbte Tische und Bänke. Als ich mich setzte, wischte er sich die Hände an seiner Hose ab und kam zu mir.
»Bier«, sagte ich, nicht weil ich es wollte, sondern weil ich hier war und was bestellen musste. Der Junge nickte, nahm mein Geld entgegen, brachte mir einen Krug und machte sich wieder an die Arbeit. Ich trank einen Schluck und versuchte, mich daran zu erinnern, warum ich überhaupt nach Burgstadt gegangen war. Ich kam zu dem Schluss, dass ich mich einfach hatte bewegen müssen. Aber jetzt saß ich still. Das war dumm.
Ich saß noch immer still da, als Svanjas Vater den Raum betrat. Ich glaube nicht, dass er mich direkt gesehen hat, als er aus dem hellen Tageslicht in den düsteren Schankraum kam. Als ich ihn erkannte, blickte ich auf den Tisch, als könne ich mich so unsichtbar machen. Es funktionierte nicht. Ich hörte seine schweren Stiefel auf dem nassen Stroh; dann zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber. Ich nickte ihm misstrauisch zu. Er starrte mich mit trüben Augen an. Seine Augen waren blutunterlaufen, doch ob nun vom Weinen, von mangelndem Schlaf oder vom Trinken, das vermochte ich nicht zu sagen. Sein dunkles Haar hatte er sich am Morgen gekämmt, rasiert hatte er sich jedoch nicht. Ich wunderte mich, dass er nicht bei der Arbeit war. Der Junge eilte kurz darauf mit einem Bier für Hirschhorn herbei. Er nahm das Geld des Mannes entgegen und machte sich wieder ans Schrubben. Hirschhorn trank einen Schluck, kratzte sich die Wange und sagte: »Nun.«
»Nun«, stimmte ich ihm zu und trank ebenfalls einen Schluck. Ich wünschte mir so sehr, irgendwo anders zu sein, dass ich es fast nicht glauben konnte, dass mein Körper noch immer hier war.
»Dein Junge.« Hirschhorn rutschte auf seinem Stuhl herum. »Will er mein Mädchen heiraten oder sie nur ruinieren?« Sein Gesicht blieb ruhig, während er sprach, doch ich sah sowohl Wut als auch Schmerz in seinen Augen. Ich glaube, in diesem Augenblick wusste ich bereits, dass wir uns prügeln würden. Der Mann musste etwas tun, um sein Selbstbewusstsein zurückzugewinnen, und ich bot ihm die erste Gelegenheit dafür. Der alte Mann und der Krüppel hatten das Interesse an ihrem Spiel verloren und beobachteten uns. Sie wussten genauso gut wie ich, was kommen würde. Sie würden Hirschhorns Zeugen sein.
Es gab keinen Ausweg aus dieser Situation, dennoch versuchte ich, einen zu
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