Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
meinem Alter war – würde er daraus lernen. Hatte ich das nicht auch so gemacht? »Ich werde noch weiter für deine Lehre bezahlen«, sagte ich halb zu mir selbst und nahm mir vor, dass es da enden würde. Genaugenommen war es eigentlich schon vorbei.
Ich drehte mich um und machte mich auf den langen Weg zur Burg hinauf. Die kalte Luft einzuatmen, ließ meine zerschundenen Rippen schmerzen, und auch meine Hände schwollen noch weiter an. Vor allem der Schmerz in meinen Knöcheln war mir auf Übelkeit erregende Art vertraut. Dumpf fragte ich mich, wann ich wohl endlich alt genug sein würde, um mich nicht mehr in körperliche Auseinandersetzungen reinziehen zu lassen, und in meiner Brust, dort wo Harm in meinem Leben gewesen war, spürte ich eine große Leere. Das fühlte sich wie eine tödliche Wunde an.
Als ich schnelle Schritte hinter mir hörte, wirbelte ich in Furcht vor einem neuerlichen Angriff auf dem Absatz herum. Harm sah die Kampfbereitschaft in meinen Augen und kam rutschend zum Stehen. Einen Augenblick lang standen wir einander gegenüber und schauten uns an. Dann streckte Harm die Hand aus, ergriff meinen Ärmel und sagte: »Tom, ich hasse das. Ich versuche mein Bestes, doch alles, was ich sage oder tue, ist falsch. Svanjas Eltern sind ständig wütend auf sie, und als sie sich bei mir darüber beklagt hat und ich ihr vorgeschlagen habe, mal bei ihnen vorbei zu gehen und mit ihnen zu reden, ist sie wütend auf mich geworden. Und sie ist auch wütend, weil ich bei Meister Gindast lebe und die meisten Abende daheim bleiben muss. Aber ich bin allein zu Meister Gindast gegangen und habe ihn darum gebeten, bei ihm einziehen zu dürfen. Er hat mich Dreck schlucken lassen, aber ich habe meinen Kopf unten gelassen und es ertragen, und jetzt mache ich es auf seine Art, wie du gesagt hast. Ich hasse das frühe Aufstehen, wie Gindast jeden Abend die Kerzen rationiert, und dass ich nicht jeden Abend raus kann. Aber ich mache alles so, wie er es will. Und heute hat er mich zum ersten Mal rausgeschickt, um ein paar Messingbeschläge in der Straße der Schmiede zu holen. Jetzt werde ich zu spät mit ihnen wieder zurückkommen, und ich werde den Kopf ducken und seinen Tadel über mich ergehen lassen müssen. Aber ich kann dich nicht einfach in dem Glauben weggehen lassen, dass ich alles vergessen hätte, was du mir beigebracht hast. Das ist schlicht nicht wahr. Doch ich muss mein eigenes Leben hier finden, und manchmal passen die Dinge, die du mich gelehrt hast, einfach nicht zu dem, was alle anderen hier denken. Manchmal scheinen die Dinge, die du mich gelehrt hast, hier nicht zu funktionieren. Aber ich versuche es, Tom, ich versuche es.«
Die Worte strömten wie ein Wasserfall aus ihm heraus. Als er schließlich wieder schwieg, legte ich die Arme um seine Schultern und drückte ihn trotz der Schmerzen in meinen Rippen an mich. »Beeil dich mit deinem Auftrag«, flüsterte ich ihm ins Ohr. Ich wollte noch etwas hinzufügen, doch ich fand nicht die richtigen Worte dafür. Ich konnte ihm nicht sagen, dass alles gut werden würde, denn dessen war ich selbst nicht sicher. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich seinem Urteil vertrauen würde, denn das tat ich nicht. Dann fand Harm die richtigen Worte für uns beide.
»Ich liebe dich, Tom, und ich werde es weiter versuchen.«
Ich seufzte erleichtert. »Ich dich auch. Ich liebe dich, und ich werde es ebenfalls versuchen. Jetzt beeil dich. Du hast lange Beine und bist schnell. Vielleicht kommst du doch nicht zu spät.«
Er lächelte mich flüchtig an, drehte sich um und rannte in Richtung Schmiedestraße. Ich beneidete ihn darum, mit welcher Leichtigkeit sich sein Körper bewegte. Dann drehte ich mich wieder in Richtung Burg um.
Auf halbem Weg den Burgberg hinauf kam mir Burrich entgegen. Flink ritt hinter ihm, die Arme um die Hüfte seines Vaters geschlungen. Burrichs verletztes Bein ragte seltsam heraus. Er hatte den Steigbügel extra dafür angepasst. Einen Augenblick lang starrte ich ihn an. Flink schaute mich mit offenem Mund an, doch vermutlich war mein blau geprügeltes Gesicht der Grund dafür. Ich unterdrückte die Alte Macht so weit es ging, senkte den Kopf und trottete rasch weiter. Mein Herz sehnte sich danach, ihnen hinterher zu blicken, doch ich weigerte mich, diesem Verlangen nachzugeben. Ich fürchtete viel zu sehr, dass Burrich in meine Richtung schauen könnte.
Der Rest des Marsches zur Burg war kalt und trostlos. Ich ging ins Dampfbad. Die Wachen
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