Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
wissen zu lassen, dass ich nicht mehr dazu sagen würde. »Und was Dick betrifft, so kenne ich schlicht keine anderen geeigneten Kandidaten. Er ist unsere einzige Wahl.«
»Oh, das kann nicht sein. Hast du überhaupt richtig gesucht?«
»Nein …«
Dann, bevor ich mehr sagen konnte, nahm Pflichtgetreu die kleine Figur an der Kette vom Tisch. »Was ist das?«, fragte er.
»Die gehört dir. Die haben wir an dem Strand gefunden, wo wir einem der Anderen begegnet sind. Erinnerst du dich nicht daran?«
»Nein.« Ängstlich starrte er die Figur an. Dann gab er widerwillig zu: »Doch … Doch, ich erinnere mich …« Er wankte auf seinem Stuhl. »Das ist Elliania, nicht wahr? Was hat das zu bedeuten, Tom? Dass ich die Figur gefunden habe, bevor ich Elliania auch nur gesehen hatte?«
»Was?« Ich streckte meine Hand nach der Figur aus, doch Pflichtgetreu schien das nicht zu bemerken. Er saß einfach nur da und starrte das Ding an. Ich stand auf und ging um den Tisch herum. Als ich das kleine Gesicht betrachtete, die schwarzen Locken, die nackten Brüste und die tiefschwarzen Augen, sah ich, dass Pflichtgetreu Recht hatte. Das war Elliania, doch nicht so, wie sie jetzt war, sondern wie sie als erwachsene Frau sein würde. Das blaue Ornament, das der Figur in die Haare geschnitzt war, war mit dem identisch, das die Narcheska getragen hatte. Ich atmete tief durch. »Ich habe keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.«
Der Prinz sprach, als würde er träumen. Er blickte auf das Gesicht der Puppe. »Dieser Ort, an dem wir waren, dieser Strand … Das war wie ein Vortex. Wie ein Strudel, der Magie in sich hineinzieht. Alle Arten von Magie.« Kurz schloss er die Augen. Noch immer hielt er die Figur fest umklammert. »Ich wäre dort fast gestorben, nicht wahr? Die Gabe hat mich hineingesaugt und in Stücke gerissen. Aber du bist mir gefolgt und … Irgendjemand hat dir geholfen. Irgendjemand …« Hilflos suchte er nach den richtigen Worten. »Irgendjemand Großes. Irgendjemand größer als der Himmel.«
Ich hätte das zwar nicht so ausgedrückt, aber ich wusste, was er meinte. Plötzlich erkannte ich, wie ungern ich über die Ereignisse am Strand reden oder auch nur über sie nachdenken wollte. Eine Art Nimbus umgab die Stunden, die wir dort verbracht hatten, ein Licht, das mehr verhüllte als erhellte. Das erfüllte mich mit Furcht. Das war der Grund, warum ich dem Narren die Federn nicht gezeigt und auch sonst mit niemandem darüber gesprochen hatte. Sie stellten eine verwundbare Stelle dar. Sie waren ein Tor zum Unbekannten. Als ich sie aufgehoben hatte, hatte ich etwas Großes in Bewegung gesetzt, etwas, das niemand kontrollieren konnte. Selbst jetzt noch zuckte mein Geist vor der Erinnerung zurück, als könne ich so die Ereignisse ungeschehen machen.
»Was war das? Wer war das, dem wir dort begegnet sind?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich knapp.
Plötzlich leuchtete Enthusiasmus in den Augen des Prinzen auf. »Wir müssen es herausfinden.«
»Nein. Das müssen wir nicht.« Ich atmete tief ein. »Tatsächlich glaube ich sogar, wir sollten sorgfältig darauf achten, es nicht herauszufinden.«
Er starrte mich konsterniert an. »Aber warum? Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie es sich angefühlt hat? Wie wundervoll es war?«
Ich erinnerte mich nur zu gut daran, besonders jetzt, da wir darüber sprachen. Ich schüttelte den Kopf und wünschte plötzlich, ich hätte die Figur verborgen gehalten. Ihr Anblick rief alle möglichen Erinnerungen in mein Gedächtnis zurück, so wie ein Hauch von Parfüm oder ein einzelner Takt eines Liedes einen an die Torheit einer Nacht erinnern kann. »Ja. Es war wundervoll. Und es war gefährlich. Ich wollte nicht mehr weg von dort, Pflichtgetreu. Du auch nicht. Sie hat uns dazu gebracht.«
»Sie? Es war keine ›Sie‹. Es war wie … wie ein Vater. Stark und sicher. Fürsorglich.«
»Ich glaube nicht, dass es irgendetwas davon war«, sagte ich widerwillig. »Ich glaubte, wir haben ihm schlicht die Form gegeben, die wir uns gewünscht haben.«
»Du glaubst, wir haben uns das eingebildet?«
»Nein. Nein, ich glaube, wir sind etwas begegnet, das größer war, als wir zu verstehen vermögen. Deshalb haben wir ihm eine Form gegeben, die uns vertraut war. Damit unser Verstand es begreifen konnte.«
»Wie kommst du darauf? Hast du etwas in den Gabenschriften darüber gelesen?«
Zögernd antwortete ich: »Nein. Ich habe in den Gabenschriften nichts gefunden, was auch nur
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