Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
»Kräusel wollte ein paar Lieder aus den Sechs Provinzen für die Outislander spielen, und ich wollte ihm eigentlich zuhören.«
Ich atmete tief durch. Ich musste den Jungen enger an mich binden, wenn ich mein Wort Nessel gegenüber halten wollte; doch ich hatte ihn mir bereits entfremdet, als ich ihn nach Hause geschickt hatte. Sollte ich jetzt die Zügel zu straff anziehen, würde ich nicht gerade sein Vertrauen gewinnen. Also sagte ich: »Aus den Liedern eines Barden kann man viel lernen. Hör also gut zu, was die Outislander sagen und singen, und tu dein Bestes, um ein paar Worte ihrer Sprache zu lernen. Später werden wir dann darüber reden, was du gelernt hast.«
»Danke«, sagte er steif. Es fiel ihm genauso schwer, seine Dankbarkeit auszudrücken, wie die Autorität anzuerkennen, die ich über ihn hatte. Noch würde ich sie nicht mit Nachdruck durchsetzen. So nickte ich Flink zu und ließ ihn gehen. Kräusel verneigte sich an der Tür auf elegante Art der Barden vor mir, und kurz trafen sich unsere Blicke. Die Freundlichkeit in seinen Augen überraschte mich; dann verabschiedete er sich mit den Worten: »Nur selten findet man einen Soldaten, der den Wert des Lernens zu schätzen weiß, und noch seltener einen, der Barden als Quelle des Wissens anerkennt. Ich danke Euch, mein Herr.«
»Ich bin es, der sich bedanken muss«, erwiderte ich. »Mein Prinz hat mich gebeten, den Jungen zu erziehen. Vielleicht könnt Ihr ihm ja zeigen, dass der Erwerb von Wissen nicht schmerzhaft ist.« Dann fügte ich spontan hinzu: »Wenn ich nicht störe, würde ich mich gerne zu Euch gesellen.«
Kräusel verneigte sich erneut. »Es wäre mir eine Ehre.«
Flink war vorausgegangen, und er wirkte nicht gerade erfreut, als er mich den Musiker begleiten sah.
Die Outislander-Seeleute unterschieden sich in nichts von den Seemännern an anderen Orten. Jedwede Unterhaltung war ihnen lieber als die immer gleiche Arbeit an Bord eines Schiffes. Jene, die nicht gerade Wache hatten, eilten bei Kräuseis Gesang sofort herbei. Es war eine schöne Bühne für den Barden. Er stand auf dem Deck, der Wind wehte ihm durchs Haar, und die Sonne schien in seinen Rücken. Die Männer, die kamen, ihn zu hören, brachten ihre Arbeit mit. Sie knüpften Taue oder flickten Segel wie Frauen bei solchen Gelegenheiten stickten oder nähten. Die Aufmerksamkeit, mit der sie zuhörten, bestätigte, was ich bereits vermutet hatte. Absichtlich oder durch Zufall besaßen die meisten von Peottres Mannschaft rudimentäre Kenntnisse unserer Sprache, und selbst jene, bei denen das nicht der Fall war, lauschten zumindest der Musik Kräusel trug ihnen die traditionellen Balladen vor, in denen der Weitsehermonarchen gedacht wurde. Zum Glück war er klug genug, jene Lieder auszulassen, die mit unserer langen Fehde mit den Äußeren Inseln zu tun hatten. Flink schien den Liedern aufmerksam zu folgen. Am meisten interessierte es ihn offenbar, als Kräusel eine Fabel vom Alten Blut als Lied vortrug. Ich beobachtete die Outislander, während Kräusel sie sang. Ob ich wohl die gleiche Ablehnung und Verachtung in ihren Augen sehen würde, wie sie das Volk der Sechs Provinzen bei solchen Liedern zeigte? Doch nein, ich sah nichts dergleichen. Tatsächlich schien den Seeleuten dieses seltsame Lied über eine fremde Magie zu gefallen.
Als er fertig war, stand einer der Outislander mit breitem Grinsen auf. Er hatte seine Schnittarbeit beiseite gelegt und klopfte sich die Späne von Brust und Hose. »Ihr glaubt, diese Magie sei stark«, forderte er uns heraus. »Ich kenne eine stärkere, und ihr solltet besser von ihr hören, denn ihr könntet schon bald auf sie stoßen.«
Mit dem nackten Fuß stieß er seinen Kameraden an, der neben ihm auf dem Deck saß. Sichtlich verlegen ob der vielen Zuhörer zog der Mann eine kleine Flöte aus seinem Hemd, die an einem Band um seinen Hals hing, und spielte eine einfache Melodie, während der andere Mann mit heiserer Stimme die Geschichte des Schwarzen Manns von Aslevjal zu singen begann. Er sang in der Sprache der Outislander und zudem noch im Tonfall der Barden, was es mir nur umso schwerer machte, ihm zu folgen. Der Schwarze Mann wanderte über die Insel, sang er, und wehe dem, der mit unwürdige Absichten sein Land betrat. Er war der Wächter des Drachen oder vielleicht der Drache in Menschengestalt. Schwarz, wie der Drache schwarz war, >etwas<, wie der Drache >etwas< war, stark wie der Wind und ebenso unbesiegbar, und gnadenlos wie das
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