Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
das bunte Zelt des Narren im Wind. Inmitten der zunehmenden Dunkelheit schien es von innen zu leuchten.
Davor angekommen zögerte ich. Die Zeltklappe war fest verschlossen. Als Junge hatte ich einmal uneingeladen die Gemächer des Narren betreten. Rasch hatte ich dieses Eindringen bereut, und das nicht nur, weil sich dadurch mehr Rätsel aufgetan als gelöst hatten, sondern vor allem weil unser vertrautes Verhältnis dadurch den ersten Riss bekommen hatte. Ohne es je auszusprechen, hatte der Narr mich die Regeln gelehrt, deren Einhaltung den Erhalt seiner Freundschaft garantierte. Er beantwortete nur Fragen über sich selbst, die er beantworten wollte, und jedes Herumschnüffeln meinerseits betrachtete er als Eindringen in seine Privatsphäre. Deshalb blieb ich auch jetzt erst einmal stehen. Der Wind wehte vom Eis an mir vorbei, und ich fragte mich, ob ich das Risiko eingehen wollte. Gab es nicht ohnehin schon genügend Risse in unserer Freundschaft? War sie nicht schon zu oft auf die Probe gestellt worden?
Dann bückte ich mich, öffnete die Zeltklappe und schlüpfte hinein.
Das Zelt bestand aus einem Material, das ich nicht kannte: irgendeine Art Seide vielleicht, aber so fest gewebt, dass kein Luftzug hindurchdrang. Das Glühen stammte von einem winzigen Kohlebecken, das in einer kleinen Grube stand. Die Seidenwände hielten die Hitze drinnen, während das Licht durch den schimmernden Stoff verstärkt wurde. Trotzdem war es nicht wirklich hell, eher warm beleuchtet und gemütlich. Ein dünner Teppich bedeckte den Rest des Boden, und in der Ecke stand eine einfache Pritsche. Meine Wolfsnase roch das Parfüm des Narren. In einer weiteren Ecke fanden sich eine Reihe von Kleidern und andere Gegenstände. Ich sah, dass der Narr die federlose Hahnenkrone mitgebracht hatte. Irgendwie überraschte mich das nicht. Die Federn, die ich von der Anderinsel für die Krone mitgebracht hatte, lagen in meiner Seekiste. Ein paar Dinge waren einfach zu bedeutend, um sie unbeaufsichtigt zu lassen.
Der Narr verfügte über einen mageren Vorrat an Lebensmitteln und einen einzigen Topf: Offensichtlich hatte er für sein Überleben auf unsere baldige Ankunft vertraut. Ich sah keinerlei Waffen bei seinen Sachen; die wenigen Messer waren ausschließlich zum Kochen geeignet. Ich fragte mich, was für ein Schiff ihn hier abgesetzt und warum er sich selbst nicht besser ausgerüstet hatte. Bei seinem Proviant fand ich auch einen kleinen Krug mit Honig. Ich nahm ihn.
Nirgends fand ich ein Stück Papier, auf dem ich dem Narren eine Nachricht hätte hinterlassen können. Alles, was ich ihm hätte sagen wollen, war, dass ich nicht gewollt hatte, dass er zum Sterben auf diese Insel kommt, und dass das der Grund dafür gewesen war, dass ich alles getan hatte, um ihn vom Kommen abzuhalten. Zu guter Letzt legte ich die Hahnenkrone mitten auf sein Bett. Ich drehte den schlichten, hölzernen Reif in meiner Hand, und kurz wurde das Licht von dem einen, funkelnden Juwelenauge des Hahns gefangen. Der Narr würde wissen, dass ich sie dorthin gelegt hatte, und warum. Ich wollte nicht, dass er auch nur für einen Augenblick lang dachte, ich hätte versucht, diesen Besuch zu verheimlichen. Als ich ging, band ich die Zeltklappe wieder zu.
Dick war fast eingedöst, doch als ich den Tee einschenkte und Honig zum Süßen hinzufügte, setzte er sich auf und nahm mir den Becher ab. Ich war sehr großzügig mit dem Honig gewesen. Dick trank die Hälfte und stieß einen lauten Seufzer aus. »Das ist schon besser.«
»Willst du noch was?« Für mich würde nur wenig übrig bleiben, doch ich wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sein Wohlwollen zu erlangen.
»Ein bisschen. Bitte.«
Ich fühlte, wie er seine Mauern ein wenig senkte. »Dann gib mir deinen Becher.« Während ich ihm nachschenkte und wieder Honig hinzugab, sagte ich: »Weißt du, Dick, ich habe es vermisst, dein Freund zu sein. Ich bin es wirklich leid, dass du wütend auf mich bist.«
»Ich auch«, gab er zu und nahm mir wieder den Becher ab. »Und es fällt mir auch schwerer, als ich gedacht habe.«
»Wirklich? Warum machst du es dann?«
»Um Nessel zu helfen, wütend auf dich zu sein.«
»Aha.« Ich dachte nicht weiter darüber nach, sondern bemerkte nur: »Sie hat es vermutlich wie eine gute Idee klingen lassen.«
»Ja«, bestätigte Dick traurig.
Ich nickte langsam. »Aber es geht ihr doch gut, oder? Sie ist weder verletzt noch in Gefahr.«
»Sie ist wütend, weil sie ihr
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