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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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leer. Ich fragte mich, warum sie mich nicht geweckt hatten und warum wir das Lager noch nicht abgebrochen und uns wieder auf den Weg gemacht hatten. Zitternd kroch ich aus meinen Decken und verzog das Gesicht, als ich sah, dass ich noch immer die Robe trug. Rasch tauschte ich sie gegen meinen Mantel und eine Hose, stopfte die Robe in meinen Rucksack und wunderte mich weiter über die Stille, die im Lager herrschte. Ich fürchtete, dass wir durch irgendeinen Wetterumschwung aufgehalten worden waren.
    Ich verließ das Zelt und kam in einen steten, milden Wind, der Schneekristalle von der Gletscherschulter über uns herunterwehte. Das Lager um mich herum war nahezu menschenleer. Web kümmerte sich um einen Topf mit Essen, der auf einem Dreibein über dem winzigen Feuer stand. »Ah, du bist wach«, sagte Web und lächelte mich an. »Ich nehme an, du fühlst dich schon besser.«
    »Ich ... ja, es geht mir besser«, erwiderte ich ein wenig überrascht darüber, dass dem tatsächlich so war. Die irrational düstere Stimmung war verschwunden. Fröhlich war ich allerdings noch immer nicht. Der Verlust meiner Gabe war eine große Last, und die vor uns liegende Aufgabe schreckte mich, doch die tiefe Verzweiflung, die in mir den Wunsch geweckt hatte, meinem Leben ein Ende zu setzen, war verschwunden. An ihrer Stelle keimte langsam ein dumpfer Zorn in mir auf. Ich hasste Peottre für das, was ich seinetwegen hatte durchmachen müssen. Ich wusste, dass Chades Strategie von mir verlangte, auf Rache zu verzichten; aber irgendwie weigerte ich mich zu glauben, dass diese Mutkuchem immer so viel Elfenrinde enthielten, und dass die Outislander eine solche Menge ohne verheerende Wirkung konsumieren konnten. Ich war mit Absicht vergiftet worden. Ich hoffte, dass das Schicksal mir vor unserer Rückkehr in die Sechs Provinzen Gelegenheit geben würde, mit Peottre abzurechnen. Im Augenblick verbot mir meine Vergangenheit als Assassine den Luxus der Rache. Seit König Listenreich mich für sich beansprucht hatte, hatte man mich gelehrt, dass meine Talente nur der Krone dienten, nicht mir selbst. Nur wenige Male hatte ich diese Grenzen überschritten - mit furchtbarem Ergebnis.
    Unser Lager lag an einem flachen Schneehang. Nicht weit entfernt, brach ein schwarzer Felsgrat durch die Schneekruste. Über mir ragte ein steiler Berg empor. Er sah aus wie ein Becher, aus dessen Rand ein Stück herausgebrochen war. Schnee und Eis quollen wie ein gefrorener Wasserfall aus ihm heraus, und unsere Zelte standen genau an seinem Fuß.
    »Du bist sehr ruhig«, bemerkte Web in sanftem Tonfall. »Hast du Schmerzen?«
    »Nein. Danke, dass du dich um mich sorgst. Mir gehen einfach nur sehr viele Dinge durch den Kopf.«
    »Und du bist deiner Gabenmagie beraubt worden.«
    Bei dem Blick, den ich ihm zuwarf, hob er abwehrend die Hand. »Niemand sonst kennt dein Geheimnis oder hat den Verlust deiner Fähigkeiten bemerkt. Dick war derjenige, der es mir unbeabsichtigt erzählt hat. Er macht sich große Sorgen um dich. Vergangene Nacht hat er versucht, mir zu erklären, dass ihm nicht nur deine düstere Stimmung und dein ständiges Geplapper und Zappeln Sorgen bereiten würden, sondern dass du aus seinem Geist verschwunden seist. Dann hat er mir eine Geschichte aus seiner Kindheit erzählt. Seine Mutter hat eines Abends auf einem Jahrmarkt seine Hand losgelassen. Er hat sich für Stunden verlaufen und konnte sie einfach nicht finden, weder mit seinen Augen noch mit seinem Geist. Der Art nach zu urteilen, wie er die Geschichte erzählt hat, glaube ich, dass sie ihn ausgesetzt, sich dann aber eines besseren besonnen hat und wieder zurückgekehrt ist. Er hat mir lang und breit erklärt, wie er gewusst hat, dass seine Mutter da war, doch sie ließ ihn einfach nicht ihre Gedanken berühren. Bei dir, sagte er, sei das anders; du seist einfach verschwunden. Es sei, als wärst du tot, so wie seine Mutter. Und trotzdem sieht er dich durchs Lager laufen. Jetzt machst du ihm Angst.«
    »Ich muss ihm wie ein Verwandelter vorkommen.«
    Web zuckte mitfühlend zusammen. Da wusste ich, dass auch er schon die schreckliche Gegenwart der Verdammten gespürt hatte, doch dann sagte er: »Nein, mein Freund. Ich kann dich noch immer mit der Alten Macht fühlen. Diese Magie hast du nicht verloren.«
    »Aber was nützt sie mir ohne Partner?«, fragte ich verbittert.
    Web schwieg einen Augenblick lang und antwortete dann resigniert: »Da wäre noch etwas, was ich dich lehren könnte ... wenn du

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