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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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überlebte es. Jeder, der zwischen solch einem Kraut und Gift unterscheidet, ist nie in derartige Tiefen gestürzt worden wie die, die ich erkundet habe. An irgendeinem Punkt in jener Nacht schickte Chade Sieber, um nach mir zu suchen. Sieber legte eine Decke um mich und scheuchte mich barfuß und in die lächerliche Robe der Jralten gehüllt zum Zelt des Prinzen zurück. Wenn ich mich recht entsinne, verbrachte ich dort mehrere Stunden damit, Chade zu erzählen, wie sehr ich mich selbst verabscheute. Pflichtgetreu erzählte mir später, dass er sich noch nie solch eine Litanei von eingebildeten Sünden hatte anhören müssen. Ich erinnere mich daran, dass er mehrmals versucht hat, sich mir mit Vernunft zu nähern. Ich sprach offen davon, mich umzubringen - ein flüchtiger Gedanke, der mir zwar schon mal gekommen war, den ich jedoch nie ausgesprochen hatte. Pflichtgetreu war von so viel Gefühlsduselei angewidert, und Chade erklärte mir, dass wäre eine dumme Tat, mit der ich meine Dummheit auch nicht wieder gutmachen könne. Ich glaube, in diesem Augenblick machte er sich wirklich Sorgen um mich.
    Und doch, es war nicht meine Schuld. Es war die Droge, kein rationaler Gedanke, die mich die ganze Nacht hindurch bis zum Morgengrauen reden ließ. Am Morgen wusste Pflichtgetreu dann mehr über meine jugendlichen Eskapaden, als ich ihm hatte enthüllen wollen. Falls er je den Wunsch verspürt haben sollte, mit Elfenrinde zu experimentieren, so bin ich sicher, dass jene Nacht ihn von seiner Neugier kuriert hat.
    Als Dick meine übertrieben gefühlsseligen Berichte nicht länger ertragen konnte, wurde Sieber gerufen, um ihn zum Zelt der Zwiehaften Kordiale zu eskortieren, wo Web ihn übernahm. Chade und Pflichtgetreu hatten eigentlich geplant, Nessel in jener Nacht zu kontaktieren, doch mein Zustand machte es ihnen unmöglich, sich zu konzentrieren. Bevor Dick floh, unternahmen sie jedoch noch einen Versuch, mich als Kordiale über die Gabe zu erreichen. Sie hatten genauso wenig Glück wie der Narr. Als ich Chade von dem Versuch berichtete, verdunkelte sich sein Gesicht, und ich wusste, dass er das Experiment mit dem goldhaarigen Mann zutiefst missbilligte.
    Am nächsten Tag gingen sowohl Sieber als auch Web mit Dick und mir. Ich bin sicher, dass Sieber den Auftrag von Chade bekommen hatte, aber ich glaube, Web wollte mir aus freien Stücken helfen. Ich marschierte in einem Zustand finsterer Verzweiflung durch eine qualvolle Landschaft aus grellem Eis und sanft darüber hin wegwehendem Schnee. Sieber und Dick gingen voraus und sprachen nur wenig. Web kam direkt hinter mir und sagte den ganzen Tag nicht ein Wort. Der Sommer hatte das Land wieder im Griff, und der Wind, der den Schnee zu fantastischen Dünen auftürmte, war sanft und beinahe warm. Ich erinnere mich daran, dass Webs Vogel zweimal über uns kreiste, einsam schrie und dann wieder aufs Meer hinaus flog. Die Gegenwart des Geschwistertiers erinnerte mich auf schmerzhafte Weise an Nachtauge, und mich überkam eine neue Welle der Trauer. Ich schluchzte nicht, doch unablässig rannen mir die Tränen über die Wangen.
    Emotionen können erschöpfender sein als körperliche Anstrengung. Als Peottre schließlich befahl, die Zelte aufzuschlagen, kümmerte mich gar nichts mehr. Vollkommen willenlos stand ich einfach nur da und beobachtete die anderen beim Aufbau des Lagers. Vage erinnere ich mich daran, dass Peottre sich bei Chade dafür entschuldigte, dass seine >Mutration< mich derart behinderte. Chade nahm die Entschuldigung auf beiläufige Art an und erwiderte, dass mein Temperament schon immer unberechenbar gewesen sei, und dass ich überdies einen Hang zu Kräutermissbrauch hätte. Ich wusste, warum er das sagte, dennoch trafen mich seine Worte wie ein Stich ins Herz. Ich brachte es einfach nicht über mich, die Schüssel Brei zu essen, die Web mir irgendwann brachte. Alle anderen waren noch wach, als ich bereits zu Bett ging. Ich schlief jedoch nicht, sondern starrte in die Schatten der Zeltbahn und versuchte, mir vorzustellen, warum mein Vater sich je zu meiner Mutter gelegt hatte. Das schien mir eine böse Tat gewesen zu sein. Ich hörte, wie Web vor dem Zelt für Dick auf seinem kleinen Instrument spielte, und plötzlich vermisste ich die Gabenmusik des komischen, kleinen Mannes. Schließlich muss ich eingeschlafen sein und das tief und fest.
    Als ich wieder aufwachte, war es bereits spät. Überall um mich herum waren die Pritschen der Soldaten zerwühlt und

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