Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
ich es wüsste, würde ich es euch nicht sagen.«
»Ich bin neugierig«, meldete sich der Prinz in sanfterem Tonfall als Chade. »Was war das für eine Gabe an den Drachen, und hat er sie akzeptiert?«
»Es war Blut«, antwortete die Eule. »Sie haben einem Schaf die Kehle durchgeschnitten und das Blut aufs Eis fließen lassen. Die Mütter haben die Form der Pfütze studiert und genau untersucht, wo es eingesickert war und wo nicht. Dann kamen sie zu dem Schluss, dass Eisfeuer mit ihrer Gabe zufrieden war. Anschließend ließen sie den Kadaver des Schafes für den Schwarzen Mann hier und fuhren wieder nach Hause. Im nächsten Frühling haben viele unserer Schafe zwei statt einem Lamm geworfen, und keines von ihnen ist an Ausfluss gestorben. Wir hatten ein gutes Jahr.« Die Eule blickte uns säuerlich an. »Das ist die Art von Glück, die wir dafür erhalten haben, dass wir Eisfeuer ehren. Entehrt und zweifelt an ihm, und ich wage noch nicht einmal daran zu denken, welches Schicksal eure Häuser befallen könnte.«
»Und auch unsere Häuser, denn ob es uns nun gefällt oder nicht, wir sind hier«, bemerkte der Otter düster.
Peottre schaute sie nicht an, als er sie daran erinnerte: »Unser Mutterhaus hat alles auf sich genommen, was sich daraus ergeben mag. Euch wird gar nichts passieren.«
»Das sagst du!«, schnaufte die Eule verächtlich. »Doch ich bezweifele, dass du für Eisfeuer sprichst, du, der du ihn um der Laune einer Frau willen vernichten willst!«
»Wo ist der Drache?«, unterbrach sie Chade, der allmählich die Geduld verlor. Die Antwort kam von unerwarteter Seite.
»Er ist hier«, sagte Flink leise. »O ja, das ist er. Seine Gegenwart schwillt an und ab wie eine wilde Flut, aber man kann nicht leugnen, dass er hier ist.« Der Junge wankte, während er sprach, und seine Stimme klang, als wäre er weit entfernt.
Kräusel legte ihm die Hand auf die Schulter, und Web eilte an seine Seite.
»Schau mich an!«, befahl er dem Jungen, und als Flink ihm nicht sofort antwortete, schüttelte er ihn. »Schau mich an!«, befahl er ihm erneut. »Flink! Du bist jung und warst noch nie verschwistert; deshalb wirst du vielleicht nicht verstehen, was ich dir jetzt sage: Bleib bei dir. Geh nicht zu ihm, und lass ihn nicht in dich kommen. Das ist eine mächtige Präsenz, die
wir
fühlen, prachtvoll und ehrfurchtgebietend. Ergib dich ihr nicht. Ich fühle den Charme einer großen Katze in dieser Kreatur, eine verlockende List, die einen Jüngling binden kann, ob er will oder nicht.«
»Du kannst den Drachen fühlen? Er ist definitiv hier und lebt?« Chade klang ungläubig.
»O ja«, meldete sich Pflichtgetreu widerwillig. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie blass er war. Der Rest von uns war rot vor Kälte. Pflichtgetreu stand stocksteif ein Stück von uns entfernt. Er blickte zur Narcheska, als er sagte: »Der Drache Eisfeuer ist in der Tat hier. Und er lebt, obwohl ich nicht weiß, wie das sein kann.« Nachdenklich hielt er kurz inne und blickte in die Ferne. »Ich kann seinen Geist mit dem meinen nur streifen. Ich greife nach ihm, aber er ignoriert mich. Auch verstehe ich einfach nicht, wie ich mir seiner im einen Augenblick bewusst sein kann, und im nächsten verblasst er zu einem Nichts.«
Ich bemühte mich, nicht zu gaffen, während der Prinz sorglos seine Zwiehaftigkeit enthüllte. Auch überraschte es mich, dass er den Drachen mit der Alten Macht fühlte, während ich ihn kaum wahrnehmen konnte. Schon vor einiger Zeit hatte ich nämlich herausgefunden, dass die Zwiehaftigkeit des Prinzen bei weitem nicht so stark ausgeprägt war wie meine eigene. Hatte Webs Unterweisung seine Sinne geschärft? Dann fiel mir noch eine andere Möglichkeit ein, eine Möglichkeit, die mich entsetzte. Sprach er von der Alten Macht oder von der Gabe? In meinen Träumen hatte der Drache Tintaglia mich mit der Gabe berührt, und ich vermutete, dass er auch Nessel mit Hilfe der Gabe gefunden hatte. Ich blickte zu Chade. Der alte Mann wirkte frustriert und schien tief in Gedanken versunken zu sein. Dann wanderte mein Blick zu Dick, und dort fand ich die Antwort auf meine Frage. Der kleine Mann summte weiter gedankenverloren vor sich hin und nickte dabei mit dem Kopf. Ich wünschte, ich hätte seine Gabenmusik hören können, und noch mehr wünschte ich, ich hätte ihn dazu zwingen können, seine Gabenmauern zu errichten. Ich hatte den kleinen Mann noch nie so in sich gekehrt gesehen.
»Taste nicht nach ihm!«, befahl Web aufgeregt
Weitere Kostenlose Bücher