Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Sein Blick jagte mir einen Schauder über den Rücken.
Als hätte er gemerkt, dass ich ihn beobachtete, drehte der Narr sich plötzlich zu mir herum. Die Frage in seinen Augen war offensichtlich. Was würde ich tun? Wie würde ich mich entscheiden? Ich wandte den Blick von ihm ab. Ich konnte mich nicht entscheiden - noch nicht. Wenn ich den Drachen sah, dachte ich, würde ich es wissen, und ein, feiger Teil von mir murmelte: >Wenn er stirbt, bevor wir ihn aus dem Eis rausholen, ist alles gelöst, und ich werde mich weder dem Narren noch Chade entgegen stellen müssen. < Dass ich davon ausgehen musste, dass beide um diese geheime Hoffnung wussten, war nicht gerade ein Trost.
Peottre antwortete dem Bären. Im Tonfall eines Mannes, der es überdrüssig ist, einem sturen Kind etwas zum hundertsten Mal zu erklären, sagte er: »Das Mütterhaus der Narwale akzeptiert alle Konsequenzen, die sich daraus ergeben mögen. Sollte der Drache sich gegen uns erheben und unsere Nachfahren verfluchen, so sei es. Sollten unsere Brüder und Schwestern der anderen Clans sich gegen uns wenden, so sei es. Wir akzeptieren alles, was wir selbst über uns gebracht haben.«
»Du kannst dich binden!«, erwiderte der Bär wütend. »Aber deine Worte und Gesten sind nicht bindend für Eisfeuer! Wer vermag schon zu sagen, dass er seine Rache nicht gegen jeden richten wird, der hierher gekommen ist, um diesen Verrat zu bezeugen?«
Peottre blickte in den Schnee zu seinen Füßen. Er wirkte, als würde er sich darauf vorbereiten, eine noch schwerere Last zu übernehmen als die, die er bereits trug. Dann sagte er langsam, klar und deutlich, als wäre es ein Ritual: »Wenn die Zeit kommt, da ihr euch für eine Seite entscheiden müsst, hebt eure Waffen gegen mich. Ich schwöre, dass ich mich euch allen stellen werde. Sollte ich besiegt werden, lasst jeden Mann seine Klinge in meinem Blut tränken, bevor ich sterbe.«
Mitten in seiner Rede sog Elliania zischend die Luft ein und sprang vor, um sich vor Peottre zu stellen. Hart stieß er sie beiseite - so grob hatte er sie noch nie behandelt - und hielt sie mit festem Griff auf Armeslänge von sich. Ellianias Körper bebte. Sie schluckte ein Schluchzen hinunter und verbarg ihr Gesicht in den Händen, während Peottre fortfuhr:
»Wenn Eisfeuer der ist, als den die Legenden ihn beschreiben, wird er erkennen, dass ihr seiner Sache die Treue gehalten habt, und so wird er eure Mütterhäuser auch nicht für das zur Verantwortung ziehen, was wir hier getan haben. Stellt euch das zufrieden?«
Nachdem er geendet hatte, zog er Elliania zu sich heran, nahm sie in die Arme und flüsterte ihr etwas ins Haar, etwas, das ich nicht verstehen konnte.
Ein furchtbarer Ernst zeichnete sich nach Peottre Schwarzwassers Worten auf den Gesichtern der Outislander ab, und wieder konnte ich die volle Bedeutung dieser fremdländischen Geste nicht erfassen. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass Peottre sie und sich erneut gebunden hatte. Hatte das, was er ihnen angeboten hatte, etwas Schändliches an sich? Ich wusste es nicht, konnte nur vermuten.
Pflichtgetreu bezeugte das Ganze kreidebleich. Chade rührte sich nicht und schwieg, und ich sehnte mich abermals danach, wieder die Gabe in mir zu spüren. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als gebe es viel zu viele Möglichkeiten, auf die die Würfel fallen könnten. Wenn der Drache tot war, wenn wir ihn ausgruben, wenn er lebte, wenn er kämpfte, wenn nicht, wenn wir den Drachen erschlugen und seinen Kopf nahmen, Peottre jedoch starb, wenn er sein Wort hielt... Ich schätzte die kriegerischen Fähigkeiten der Hetgurdmänner ab und überlegte mir, wen ich in fairem Kampf besiegen konnte und bei wem ich ein wenig hinterhältiger zu Werke gehen müsste.
Kurz blickte ich zu Langschopf und sah, wie er seinen Männern leise Befehle erteilte. Vermutlich würde der Prinz von nun an Tag und Nacht einen Schatten haben.
Besonders seltsam war vor allem das Verhalten von Web, Kräusel, Flink und Gentil. Sie ignorierten alles um sich herum, wanderten scheinbar willkürlich über den Schnee und blickten dabei so angestrengt zu Boden, als hätten sie einen Diamanten inmitten der funkelnden Eiskristalle verloren. Web blieb als Erster stehen. Er schwieg und wartete reglos. Flink hielt vielleicht ein Dutzend Schritte Von ihm entfernt an, und in einem Abstand von gut einer Schiffslänge kletterte Gentil in einen schmalen Spalt, um dort zu verharren. Kräusel war der Letzte, der sich einen
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