Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Eure Schwüre immer so, mein Prinz ? Ihr habt gesagt, dass Ihr das tun würdet. Sollte es Euch schrecken, dann sagt es rundheraus, damit alle den Augenblick bezeugen können, da Euch Euer Mut verlassen hat.«
Diese Herausforderung kam jedoch nicht von Herzen. Ich erkannte das sofort und Pflichtgetreu ebenfalls. Ich glaube, es verletzte ihn umso mehr, dass sie seinen Stolz so gnadenlos verletzte, ohne es wirklich zu wollen. Er atmete tief durch und straffte die Schultern. »Nein«, sagte er. »Das ist nicht ganz die Wahrheit. Ich habe dir mein Wort gegeben, und du hast dich entschieden, daran festzuhalten. Du könntest es mir zurückgeben und mich so von dieser Aufgabe entbinden. Aber das tust du nicht. Um der Ehre der Häuser meiner Mutter und meines Vaters Willen werde ich also tun, was ich geschworen habe.«
Web meldete sich zu Wort. »Dies ist kein Hirsch, den Ihr da jagt, um ihn zu essen, mein Prinz. Es ist noch n;cht einmal ein Wolf, den ihr töten wollt, um Eure Herde zu beschützen. Dies ist eine Kreatur so intelligent wie Ihr, wenn man den Legenden glauben schenkt, und sie hat Euch keinen Grund gegeben, sie zu töten. Ihr müsst doch wissen ...« Und dann hielt Web inne. So wütend er auch sein mochte, er würde die geheime Zwiehaftigkeit seines Prinzen nicht verraten. »Eisfeuer lebt. Wie das sein kann, weiß ich nicht; auch kann ich nicht sagen, wie hell der Funke des Lebens noch in ihm brennt. Er flackert immer wieder in meinem Bewusstsein auf, wie Flammen aus einem verglühenden Stück Kohle schlagen. Es könnte durchaus sein, dass wir den ganzen weiten Weg nur gekommen sind, um zuzuschauen, wie er aus der Welt scheidet. Darin läge keine Schande. Und ich bin lange genug an Eurer Seite gereist, um zu wissen, dass Ihr kein Lebewesen erschlagen werdet, das leblos zu Euren Füßen liegt. Vielleicht werdet Ihr mich eines Besseren belehren, doch ich hoffe nicht. Aber...« Er drehte sich zu seinen zwiehaften Gefährten um. »Aber wenn wir die Bitte unseres Prinzen nicht erfüllen, ihm beim Finden des Drachen zu helfen, wenn wir Eisfeuer nicht aus dem Eis ausgraben, das ihn umschließt, dann, so glaube ich, wird er genauso sicher sterben, als würde unser Prinz ihm den Kopf abschlagen. Der Rest von euch mag ja tun, was er will, aber ich werde nicht zögern, die Magie einzusetzen, mit welcher Eda mich gesegnet hat, um das Gefängnis des Drachen zu finden und ihn zu befreien.« Er senkte die Stimme. »Natürlich wäre das viel einfacher, wenn ihr alle mir helfen würdet.«
Die ganze Zeit über hatten die Hetgurdmänner sich abseits gehalten. Unauffällig blickte ich in ihre Richtung und war nicht wirklich überrascht, den Narren an ihrer Seite zu sehen, als wolle er so eindeutig kundtun, wo seine Treue lag. Die Eule, ihr Barde, hatte den typischen, aufmerksamen Gesichtsausdruck seiner Zunft, wie ich ihn aus meiner Zeit mit Merle kannte. Jedes Wort, das hier gesprochen wurde, würde er in seinem Gedächtnis behalten, um es später in die fließenden Reime der Outislander-Bardensprache zu verpacken. Auf den Gesichtern der anderen waren Unsicherheit und Angst zu sehen. Dann schlug sich der Bär, ihr Anführer, mit der Faust auf die Brust, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
»Vergesst uns nicht, und vergesst auch nicht, warum wir hier sind. Falls es so ist, wie euer Zauberer sagt, falls der Drache lebt, aber nur schwach und ihr ihn ausgrabt, dann werden wir das bezeugen. Und falls dieser Bauernprinz der Sechs Provinzen unseren Drachen tötet, wenn er krank und kampfunfähig ist, dann wird der Zorn aller Clans nicht nur den Clans des Narwals und des Ebers entgegenschlagen, sondern auch den Sechs Provinzen. Wenn der junge Prinz es tut, um eine Allianz zu schmieden und weiteren Krieg mit dem Volk der Gottesrunen zu vermeiden, dann muss er dafür sorgen, dass es auf die vereinbarte Art geschieht. Er sollte sich unserem Drachen im Kampf stellen, nicht ihm das Haupt nehmen, wenn er krank darniederliegt. Es liegt keine Ehre darin, sich eine Trophäe von einem Krieger zu holen, der bereits im Sterben liegt.«
Der Narr schwieg während der Erklärung des Bären, und doch sah es so aus, als wäre dieser Mann sein Sprecher. Der Narr hatte die Arme nicht vor der Brust verschränkt und blickte auch nicht drohend drein. Stattdessen schaute er Pflichtgetreu aufmerksam an; der Weiße Prophet dachte über den Mann nach, der ihm auf seiner Queste, die Welt auf einen besseren Weg zu führen, zum Gegner erwachsen könnte.
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