Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
konnte mir nicht in die Augen blicken. »Ja, Herr.«
Als er nicht nach der Börse griff, nahm ich seine Hand, drehte die Handfläche nach oben und legte das Geld hinein. Nachdem ich ihn wieder losgelassen hatte, starrte er mich an.
Ich deutete auf die Tür zur Treppe. Flink drehte sich benommen um und stolperte zur Tür. Die Hand auf der Klinke blieb er stehen. »Du verstehst nicht, wie es für mich dort ist«, flüsterte er schwach.
»Doch. Das tue ich. Ich verstehe es weit besser, als du dir vorstellen kannst. Geh nach Hause, beuge dich der Autorität deines Vaters, und diene deiner Familie bis du erwachsen bist, so wie es einem ehrbaren Jungen geziemt. Haben deine Eltern dich nicht großgezogen? Haben sie dir nicht das Leben geschenkt, Essen auf deinen Teller getan, dir Kleider und Schuhe gegeben? Dann ist es nur Recht, dass ihnen deine Arbeit gehört, bis du vor dem Gesetz ein Mann bist. Ist es so weit, kannst du offen deinen eigenen Weg gehen. Danach bleiben dir noch genug Jahre, deine Magie zu entdecken, Jahre, die du dir rechtmäßig verdient hast und in denen du leben kannst, wie du willst. Deine Zwiehaftigkeit kann bis dahin warten.«
Er stand immer noch da und legte kurz den Kopf an die Tür. »Nein. Meine Magie wird nicht warten.«
»Sie wird es müssen!«, erwiderte ich barsch. »Jetzt geh nach Hause, Flink. Brich noch heute auf.«
Er senkte den Kopf, schob die Tür auf und schloss sie hinter sich wieder. Ich lauschte seinen verhallenden Schritten auf der Treppe und fühlte über die Gabe, wie er sich rasch entfernte. Dann stieß ich einen lauten Seufzer aus. Ich hatte ihn geschickt, etwas sehr, sehr Schweres zu tun - hoffentlich besaß der Junge das Rückgrat dafür. Ich hoffte, ohne es wirklich zu glauben, dass die Rückkehr des Jungen seine Familie heilen würde. Ich wanderte die Zinnen entlang und starrte auf die Felsen hinab.
Verachtet nicht jene, deren stärkstes Gabentalent in der Gestaltung von Träumen liegt Dieses Talent manifestiert sich am häufigsten bei Solisten. Diese einsamen Gabenkundigen mögen ja nicht so effektiv sein wie eine Kordiale, doch auch sie können ihrem Herrscher mit ihren einmaligen Talenten auf subtile und wirkungsvolle Art dienen. Ominöse Träume, die einem feindlichen Fürsten geschickt werden, können ihn dazu bewegen, seine Handlungen zu überdenken, während Träume von Sieg und Ruhm jeden Feldherrn zu ermutigen vermögen. Träume können Belohnungen sein und in manchen Fällen wie Balsam auf jene wirken, die der Mut verlassen hat.
Kniebaums Niedere Anwendungsgebiete der Gabe
An jenem Abend erzählte ich Chade, dass Flink ein verzweifeltes Heimweh verspürt und dass ich ihn daraufhin nach Hause geschickt hätte in der Hoffnung, dass er mit Burrich wieder ins Reine kommen würde. Der alte Mann nickte geistesabwesend: Der Junge war die geringste seiner Sorgen.
Ich erzählte ihm auch von meinem Gespräch mit Web und endete mit der Bemerkung: »Er weiß, wer ich bin, vermutlich schon seit er hier eingetroffen ist.«
Chades Reaktion darauf war nachdrücklicher. »Verdammt! Warum musst du mir das ausgerechnet jetzt enthüllen, wo ich so viel anderes zu tun habe?«
»Ich glaube nicht, dass ich irgendwas
enthülle«
,
erwiderte ich steif. »Ich denke eher, dass irgendjemand dieses Wissen die ganze Zeit besessen hat, und nun hat es uns in den Hintern gebissen. Was schlägst du vor, soll ich tun?«
»Tun? Was kannst du denn tun?«, verlangte er gereizt zu wissen. »Es ist bekannt, Junge. Jetzt können wir nur noch hoffen, dass Web uns tatsächlich so wohlgesonnen ist, wie es nach außen hin den Anschein hat.
Und
dass sich dieses Wissen noch nicht unter den Zwiehaften verbreitet hat.« Er drückte den Deckel einer Ledertasche voll Schriftrollen zu und band ihn fest. »Holly, sagst du?«, fragte er nach einem Augenblick. »Du glaubst, dass Holly es Web gesagt hat?«
»Das schien er andeuten zu wollen.«
»Und wann hast du sie das letzte Mal gesehen?«
»Vor Jahren, als ich unter den Zwiehaften gelebt habe. Sie war Rolfs Frau.«
»Das weiß ich! Ein letzter Rest von Verstand ist mir noch geblieben.« Er dachte darüber nach, während er die nächsten Schriftrollen verpackte. »Wir haben keine Zeit«, verkündete er schließlich. »Wäre es anders, würde ich dich sofort zu dieser Holly schicken, um herauszufinden, wie vielen Leuten sie es noch erzählt hat; aber diese Zeit haben wir einfach nicht. Also, denk nach, Fitz. Wie werden sie das benutzen?«
»Ich bin
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